Margos Spuren
Vorwarnung in den Bauch geboxt hast. Kein Wunder, dass Jason Worthington beschlossen hat, dich zum Vorbild zu nehmen.«
»Wenigstens bin ich gut in Resurrection«, erwiderte Ben und schoss mir, obwohl wir im gleichen Team spielten, in den Rücken.
Wir spielten noch eine Weile, bis Ben sich auf dem Boden zusammenrollte, den Joystick an die Brust gedrückt, und einschlief. Ich war auch müde. Es war ein langer Tag gewesen. Ich rechnete fest damit, dass Margo am Montag wieder da war, aber trotzdem war ich ein bisschen stolz darauf, dass ich die Flut der Blödmänner gestoppt hatte.
3
Jeden Morgen blickte ich zuerst aus dem Fenster, um nachzusehen, ob sich bei Margo irgendwas verändert hatte. Gewöhnlich war ihr Rattanrollo unten, doch seit sie weg war, hatte ihre Mutter oder sonst jemand es hochgezogen, so dass ich ein Stück blaue Wand und weiße Decke sehen konnte. Auch wenn sie am Samstag erst seit achtundvierzig Stunden weg war und ich noch nicht mit ihrer Rückkehr rechnete, war ich ein bisschen enttäuscht, dass das Rollo immer noch oben war.
Ich putzte mir die Zähne, und nachdem ich vergeblich versucht hatte, Ben mit Tritten zu wecken, schlurfte ich in Boxershorts und T-Shirt in die Küche. Um den Esstisch saßen fünf Personen. Meine Eltern. Margos Eltern. Und ein großer, kräftiger Afroamerikaner, der einen grauen Anzug und eine riesige Brille trug und einen Ordner in der Hand hielt.
»Oh. Hallo«, sagte ich.
»Quentin«, sagte meine Mutter, »hast du am Mittwochabend Margo gesehen?«
Ich kam ins Esszimmer und lehnte mich an die Wand, dem Fremden gegenüber. Ich hatte irgendwann mit dieser Frage gerechnet und hatte mir schon eine Antwort zurechtgelegt. »Ja«, sagte ich. »Sie war abends bei mir am Fenster, gegen Mitternacht, und wir haben kurz miteinander geredet, aber dann hat Mr. Spiegelman sie erwischt, und sie ist wieder reingegangen.«
»Und das war’s? Oder hast du sie danach noch mal gesehen?«, fragte Mr. Spiegelman. Er wirkte ziemlich ruhig.
»Nein, warum?«, sagte ich.
Margos Mutter antwortete mit schriller Stimme. »Tja«, sagte sie, »anscheinend ist Margo mal wieder ausgerissen.« Sie seufzte. »Das wäre dann – das wievielte Mal, Josh, das vierte?«
»Ich habe aufgehört zu zählen«, sagte ihr Vater genervt.
Der fremde Mann meldete sich zu Wort. »Es ist das fünfte Mal, dass Sie eine Vermisstenanzeige aufgeben.« Dann nickte er mir zu. »Detective Otis Warren.«
»Quentin Jacobsen«, sagte ich.
Meine Mutter stand auf und legte Mrs. Spiegelman die Hände auf die Schultern. »Debbie«, sagte sie, »es tut mir wirklich leid. Das muss so frustrierend für euch sein.« Ich kannte das Manöver. Es war ein Trick aus der Verhaltenspsychologie, den man empathisches Zuhören nannte. Man spricht die Gefühle des anderen aus, damit er sich verstanden fühlt. Meine Mutter machte so was die ganze Zeit.
»Ich bin nicht frustriert«, widersprach Mrs. Spiegelman. »Ich habe die Nase voll.«
»Genau«, sagte Mr. Spiegelman. »Heute Nachmittag haben wir den Schlüsseldienst bestellt. Wir lassen die Schlösser austauschen. Sie ist achtzehn. Detective Warren hat uns gerade gesagt, dass wir nichts tun können …«
»Na ja«, unterbrach Detective Warren. »So habe ich es nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass die Vermisste keine Minderjährige mehr ist, und das bedeutet, dass sie das Recht hat, von zu Hause wegzugehen.«
Mr. Spiegelman ignorierte ihn. »Wir kommen gerne für ihre Ausbildung auf, aber das hier dulden wir einfach nicht mehr, diesen … Kinderkram. Connie, sie ist achtzehn! Und immer noch dreht sich alles um sie! Sie muss endlich lernen, die Konsequenzen für ihr Handeln zu tragen.«
Meine Mutter nahm die Hände von Mrs. Spiegelmans Schultern. »Ich würde sagen, man muss ihr liebevoll beibringen , was die Konsequenzen sein könnten«, erklärte meine Mutter.
»Na ja, sie ist nicht deine Tochter, Connie. Dich hat sie nicht zehn Jahre wie einen Fußabtreter behandelt. Außerdem haben wir noch ein Kind, an das wir denken müssen.«
»Und an uns selbst«, setzte Mr. Spiegelman nach. Er sah mich an. »Quentin, es tut mir leid, wenn sie versucht hat, dich in ihre Spielchen reinzuziehen. Du kannst dir vorstellen, wie … wie peinlich uns das ist. Du bist ein gescheiter Junge, und sie …«
Ich stieß mich von der Wand ab und richtete mich auf. Ich kannte Margos Eltern ein bisschen, aber ich hatte sie noch nie so unangenehm erlebt. Kein Wunder, wenn Margo am Mittwoch nicht gut auf sie
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