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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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einziges Mal – Ben war ein echter Freund, wenn es ums Nicht-Unterbrechen ging –, und als ich fertig war, stellte er mir die Frage, die für ihn am wichtigsten war.
    »Warte mal, Jason Worthington, von wie klein redest du?«
    »Vielleicht ist er vor Schreck geschrumpft, aber kannst du dir einen Bleistift vorstellen?« Ben nickte. »Und kannst du dir den Radiergummi hinten am Bleistift vorstellen?« Er nickte wieder. »Und kannst du dir die Krümel vorstellen, die der Radiergummi beim Radieren auf dem Papier hinterlässt?« Er nickte wieder. »Ich würde sagen, drei Krümel lang und einen Krümel breit.« Ben hatte von Typen wie Jason Worthington und Chuck Parson so viel einstecken müssen, dass ich ihm ein bisschen Schadenfreude gönnte. Doch er lachte nicht. Er schüttelte nur ehrfurchtsvoll den Kopf.
    »Gott, sie ist böse.«
    »Ich weiß.«
    »Sie ist die Art von Mensch, der entweder mit siebenundzwanzig auf tragische Weise ums Leben kommt wie Jimi Hendrix und Janis Joplin oder ganz groß rauskommt und so was wie den Nobelpreis in Hammermäßigkeit gewinnt.«
    »Ja.« Ich wurde selten müde, über Margo Roth Spiegelman zu sprechen, doch ich war selten so müde wie jetzt. Und so lehnte ich den Kopf zurück auf das rissige Vinyl der Kopfstütze und war im nächsten Moment eingeschlafen. Als ich aufwachte, hatte ich einen Hamburger auf dem Schoß, mit einem Zettel : Musste los, Alter. Wir sehen uns nach der Probe.
     
    Später, nach meiner letzten Stunde, saß ich vor dem Musikraum an der Wand und übersetzte Ovid, während ich versuchte die Kakophonie, die von drinnen kam, zu überhören. Radar und Ben hatten nach der Schule Orchesterprobe, und ich wartete auf sie, denn ohne sie zu gehen hätte die unerträgliche Schmach bedeutet, als einziger Achtzehnjähriger mit dem Schulbus zu fahren.
    Als sie fertig waren, setzte Ben zuerst Radar ab, der im »Zentrum« von Jefferson Park wohnte, nicht weit von Lacey Pemberton. Dann fuhr er mich nach Hause. Ich sah, dass Margos Wagen auch nicht in der spiegelmanschen Einfahrt stand. Anscheinend hatte sie nicht die Schule geschwänzt, um auszuschlafen. Sie hatte die Schule geschwänzt, um sich ins nächste Abenteuer zu stürzen – ein quentinloses Abenteuer. Wahrscheinlich verbrachte sie den Tag damit, Enthaarungscreme auf den Kopfkissen weiterer Feinde zu verteilen oder so was. Als ich ins Haus ging, fühlte ich mich ein bisschen ausgeschlossen, aber sie wusste natürlich, dass ich nie mitgemacht hätte – ein Tag in der Schule war mir viel zu wichtig. Außerdem war man bei Margo nie sicher, ob es bei einem Tag bleiben würde. Vielleicht war sie wieder für drei Tage in Mississippi, oder sie hatte sich wieder dem Zirkus angeschlossen. Dann dachte ich, natürlich keins von beiden. Es war ein Abenteuer, das ich mir nicht mal vorstellen können würde, das ich mir nie vorstellen könnte, weil ich nicht Margo war.
    Ich fragte mich, mit was für Geschichten sie diesmal zurückkehrte. Und ich fragte mich, ob sie mir davon erzählen würde, in der Cafeteria vielleicht. Vielleicht, dachte ich, meinte sie es ernst, als sie sagte, sie würde mich vermissen. Sie hatte gewusst, dass sie abhauen würde, dass sie mal wieder eine Pause von Orlandos Plastikhaftigkeit brauchte. Aber wenn sie zurückkam, wer weiß? Ihre alten Freunde hatten ausgedient, und so würde sie die letzten Wochen ihrer Schulzeit vielleicht doch noch mit mir verbringen.
     
    Es dauerte nicht lange, bis die Gerüchte losgingen. Ben rief gleich nach dem Abendessen an. »Wie ich höre, geht sie nicht ans Telefon. Auf Facebook hat jemand gepostet, sie wollte in einen geheimen Lagerraum in Disneys Tomorrowland ziehen.«
    »Das ist Blödsinn«, sagte ich.
    »Ich weiß. Ich meine, Tomorrowland ist das langweiligste Themenland in Disney World. Irgendjemand hat behauptet, sie hätte im Internet einen Typen kennengelernt.«
    »Lächerlich«, sagte ich.
    »Schon gut. Aber wo ist sie dann?«
    »Sie ist allein unterwegs und erlebt die Art von Abenteuern, von der wir nur träumen können«, sagte ich.
    Ben kicherte. »Du meinst, sie spielt an sich rum?«
    Ich schnaubte. »Im Ernst, Ben. Sie macht eben die Sachen, die Margo so macht. Sie macht Geschichte. Margo rockt.«
     
    Später lag ich im Bett und starrte durchs Fenster hinaus in die unsichtbare Welt. Ich versuchte einzuschlafen, aber jedes Mal klappten meine Lider wieder auf, nur für alle Fälle. Ich wurde die Hoffnung einfach nicht los, dass Margo Roth Spiegelman wieder

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