Margos Spuren
zu sprechen war. Ich sah den Detective an. Er blätterte durch die Akte. »Es ist bekannt, dass sie absichtlich Spuren hinterlässt, ist das richtig?«
»Wegweiser«, sagte Mr. Spiegelman, der aufgestanden war. Der Detective hatte die Akte auf den Tisch gelegt, und Margos Vater beugte sich vor, um mit hineinzusehen. »Überall Wegweiser. Am Tag, als sie nach Mississippi verschwand, gab es Buchstabensuppe, und sie hatte genau vier Buchstaben übrig gelassen : ein M , ein I , ein S und ein P . Nach ihrer Rückkehr war sie enttäuscht, dass wir die Puzzleteile nicht zusammengesetzt haben, auch wenn ich zu ihr sagte : ›Mississippi ist ein großes Land, Margo! Wie hätten wir dich finden sollen, selbst wenn wir gewusst hätten, dass du in Mississippi bist?‹«
Der Detective räusperte sich. »Und als sie die Nacht in Disney World verbracht hat, hat sie die Minnie-Mouse-Puppe auf ihr Bett gesetzt.«
»Ja«, sagte ihre Mutter. »Wegweiser. Diese albernen Wegweiser. Aber glauben Sie mir, man kann ihnen nie folgen .«
Der Detective blickte von seinen Aufzeichnungen auf. »Wir geben die Sache natürlich weiter, aber wir können Ihre Tochter nicht zwingen, nach Hause zu kommen. Vielleicht sollten Sie nicht unbedingt damit rechnen, Sie so bald wieder unter Ihrem Dach zu haben.«
»Ich will Sie nicht unter unserem Dach.« Mrs. Spiegelman tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen ab, auch wenn ihre Stimme nicht nach Tränen klang. »Ich weiß, das hört sich schrecklich an, aber es ist die Wahrheit.«
»Debbie«, sagte meine Mutter mit ihrer Therapeutenstimme.
Doch Mrs. Spiegelman schüttelte kaum merklich den Kopf. »Was können wir tun? Wir sind zur Polizei gegangen. Wir haben eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Sie ist jetzt erwachsen, Connie.«
»Sie ist euer erwachsenes Kind «, sagte meine Mutter ganz ruhig.
»Komm schon, Connie. Ist es verwerflich, erleichtert zu sein, wenn sie nicht mehr bei uns wohnt? Natürlich ist es verwerflich. Aber sie hat unsere Familie kaputt gemacht! Wie soll man ein Kind suchen, das ankündigt, dass es nie gefunden wird, das Wegweiser hinterlässt, die nirgendwohin führen, das immer wieder ausreißt? Das geht einfach nicht!«
Meine Eltern wechselten einen Blick, und dann sagte der Detective zu mir : »Junge, können wir mal unter vier Augen miteinander sprechen?« Ich nickte. Wir gingen ins Schlafzimmer meiner Eltern, wo er sich auf einen Sessel setzte und ich mich auf die Bettkante.
»Junge«, sagte er, als er es sich bequem gemacht hatte, »ich geb dir einen Rat : Arbeite nie für die Regierung. Wenn du für die Regierung arbeitest, arbeitest du für das Volk. Und wenn du für das Volk arbeitest, hast du mit Menschen zu tun, manchmal mit Menschen wie den Spiegelmans.« Ich lachte leise.
»Lass mich offen reden, Junge. Diese Leute haben von Kindererziehung so viel Ahnung wie ich vom Fasten. Ich kenne sie von früher, und ich kann sie nicht leiden. Es ist mir völlig egal, ob du ihren Eltern verschweigst, wo sie ist, aber ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir alles sagst.«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Wirklich nicht.«
»Ich habe über dieses Mädchen nachgedacht, Junge. Die Sachen, die sie so macht – in Disney World einsteigen zum Beispiel. Oder sie fährt nach Mississippi und hinterlässt Hinweise in der Buchstabensuppe. Dann führt sie nächtliche Kampagnen an, bei denen ganze Stadtviertel mit Klopapier verunstaltet werden …«
»Woher wissen Sie das?« Vor zwei Jahren hatte Margo einen Streich organisiert, bei dem in einer einzigen Nacht über zweihundert Häuser mit Klopapier verkleidet wurden. Überflüssig zu erwähnen, dass ich zu dem Abenteuer nicht eingeladen war.
»Ich arbeite nicht zum ersten Mal an diesem Fall. Also, Junge, wir brauchen deine Hilfe : Wer plant das alles? Wer hat all diese verrückten Ideen? Sie ist das Sprachrohr, sie ist verrückt genug, das alles auszuführen. Aber wer steckt dahinter? Wer sitzt am Schreibtisch über Aufzeichnungen und Diagrammen und berechnet, wie viel Toilettenpapier man braucht, um einen Haufen Häuser einzuwickeln?«
»Ich schätze, das macht sie alles selbst.«
»Oder sie hat einen Partner, der ihr hilft, die ganzen brillanten Pläne umzusetzen. Und vielleicht ist die Person, die mit ihr unter der Decke steckt, nicht der naheliegendste Kandidat wie ihre beste Freundin oder ihr Freund. Vielleicht eher jemand, auf den man nicht gleich kommen würde.« Er holte Luft, dann wollte er weiterreden,
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