Margos Spuren
an mein Fenster kam und mich, müde wie ich war, mitnahm zum nächsten unvergesslichen Abenteuer.
2
Margo verschwand zu oft, als dass es diesmal eine Findet-Margo-Aktion oder Ähnliches an der Schule gegeben hätte, aber wir spürten ihre Abwesenheit alle. Die Highschool war keine Demokratie, aber auch keine Diktatur oder Anarchie, entgegen dem verbreiteten Glauben. An der Highschool regierte das Gottesgnadentum. Und wenn die Königin Ferien machte, wurde alles anders. Genauer gesagt, alles wurde schlimmer. In der Zehnten war es während Margos Ausflug nach Mississippi gewesen, dass Becca die Geschichte vom blutigen Ben in Umlauf brachte. Diesmal würde es nicht anders sein. Das Mädchen, das den Finger im Deich hatte, war davongelaufen. Überschwemmungen waren unausweichlich.
Am Morgen war ich ausnahmsweise pünktlich und fuhr mit Ben. Die anderen waren ungewöhnlich still. »Hey, Mann«, sagte unser Freund Frank mit ernstem Gesicht.
»Was ist?«
»Chuck Parson, Taddy Mac und Clint Bauer haben Clints Jeep genommen und damit die Fahrräder von zwölf Neunt- und Zehntklässlern überrollt.«
»Das ist echt mies«, sagte ich kopfschüttelnd.
Unsere Freundin Ashley berichtete : »Gestern hat jemand im Jungsklo unsere Handynummern an die Wand geschrieben, und dazu … also, lauter Schweinereien.«
Wieder schüttelte ich den Kopf, dann schloss ich mich dem Schweigen an. Wir konnten nicht zur Schulleitung gehen; das hatten wir in der Mittelstufe versucht, und es führte unausweichlich zu mehr Ärger. Gewöhnlich mussten wir einfach abwarten, bis jemand wie Margo der Meute verklickerte, was für unreife Blödmänner sie waren.
Diesmal allerdings hatte Margo mir eine Waffe für den Gegenschlag hinterlassen. Und ich wollte gerade etwas sagen, als am Rand meines Sichtfelds ein Typ auftauchte, der mit Vollkaracho auf uns zukam. Er trug eine schwarze Skimaske und hatte eine große knallgrüne Wasserkanone dabei. Als er vorbeilief, rempelte er mich an, so dass ich das Gleichgewicht verlor und unsanft auf dem Beton aufschlug. An der Tür drehte er sich um und schrie in meine Richtung : »Wenn du dich mit uns anlegst, kriegst du den Sack voll.« Seine Stimme kam mir nicht bekannt vor.
Ben und ein anderer aus unserer Clique halfen mir hoch. Meine Schulter tat weh, doch ich wollte nicht hinfassen. »Alles klar?«, fragte Radar.
»Ja, schon gut.« Jetzt rieb ich mir die Schulter doch.
Radar schüttelte den Kopf. »Irgendjemand muss ihm mal sagen, dass ›den Sack vollkriegen‹ nach Weihnachten klingt.«
Ich lachte. Jemand nickte zum Parkplatz rüber, und als ich mich umblickte, sah ich zwei kleine Neuntklässler, die mit klitschnassen T-Shirts auf uns zugetrottet kamen.
»Es war Pisse drin!«, rief der eine von beiden. Der andere sagte nichts; er hielt die Arme so weit wie möglich von seinem T-Shirt weg, was nur bedingt funktionierte. Ich sah, wie kleine gelbe Rinnsale vom Ärmel an seinem Arm hinunterliefen.
»Tierpisse oder Menschenpisse?«, fragte jemand.
»Woher soll ich das wissen! Bin ich Piss-Experte?«
Ich ging zu dem Jungen rüber und legte ihm fürsorglich die Hand auf den Kopf — die einzige Stelle, die trocken geblieben war. »Das biegen wir wieder hin«, versprach ich. Dann klingelte es zum zweiten Mal, und Radar und ich mussten zum Mathekurs. Beim Hinsetzen schlug ich mir den Arm am Pult an, und ein sengender Schmerz schoss durch meine Schulter. Radar tippte auf sein Ringbuch, auf das er gekritzelt hatte : Schulter okay?
Ich schrieb auf den Rand meines Ringbuchs : Verglichen mit den Piss-Opfern geht’s mir wie einem Welpen auf einer Blumenwiese.
Radar lachte laut genug, um einen bösen Blick von Mr. Jiminez zu ernten. Ich schrieb : Habe einen Plan, aber wir müssen rausfinden, wer das war.
Radar schrieb zurück : Jasper Hanson , und umkringelte den Namen. Das war eine Überraschung.
Woher weißt du das?
Radar schrieb : Hast du’s nicht gesehen? Der Idiot hatte sein eigenes Football-Trikot an.
Jasper Hanson ging in die Elfte. Bisher hatte ich ihn für harmlos gehalten, eigentlich sogar für ganz nett, auf diese tapsige Alles-klar-Mann-Art. Er war nicht der Typ, dem ich zugetraut hätte, dass er mit Pissfontänen auf Neuntklässler schoss. Meiner Einschätzung nach war Jasper Hanson im sozialen Gefüge der Winter-Park-High so was wie der stellvertretende Vizeunter-sekretär für Sport und kleinere Amtsvergehen. Wenn so ein Typ plötzlich auf dem Posten des Leitenden Vizepräsidenten
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