Margos Spuren
verschlingend. In dieser Vorstellung war sie am Leben. Hatte sie mich hierhergelockt, um mir Hinweise auf ihre Route zu geben? Vielleicht, auch wenn ich noch weit entfernt davon war. Den Büchern nach konnte sie in Jamaica oder Namibia, in Topeka oder Beijing sein. Doch ich hatte mit der Suche gerade erst begonnen.
13
In meinem Traum lag sie neben mir, den Kopf an meiner Schulter, nur das Stück Teppich zwischen uns und dem Beton. Sie hatte den Arm über meine Brust gelegt. Wir lagen einfach nur da und schliefen. O Gott. Der einzige Teenager in Amerika, der davon träumt, mit einem Mädchen zu schlafen, aber nur zu schlafen . Dann klingelte mein Handy. Es klingelte noch zwei Mal, bevor ich das Telefon auf dem Teppich fand. Es war 3 :18 Uhr. Der Anrufer war Ben.
»Guten Morgen, Ben«, sagte ich.
»YEAH!!!!!!«, antwortete er schreiend, und ich merkte schnell, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, ihm zu erzählen, was ich heute Abend alles über Margo herausgefunden hatte. Seine Bierfahne war fast durchs Telefon zu riechen. Das eine Wort hatte mehr Ausrufezeichen als alles, was Ben in seinem ganzen Leben zu mir gesagt hatte.
»Klingt, als ob der Schulball lustig war.«
»YEAH!!! Quentin Jacobsen! Q! Amerikas tollster Quentin! Yeah!« Seine Stimme entfernte sich, doch ich konnte ihn noch hören. »Hey, ihr alle, seid mal still, wartet, haltet die Klappe – QUENTIN JACOBSEN! IST IN MEINEM TELEFON!« Ich hörte Jubeln, und dann war Bens Stimme wieder da. »Yeah, Quentin, yeah! Alter, du musst unbedingt rüberkommen.«
»Wo ist rüber?«, fragte ich.
»Bei Becca! Weißt du, wo sie wohnt?«
Zufälligerweise wusste ich genau, wo sie wohnte. Ich war schon mal in ihrem Keller gewesen. »Ich weiß, wo sie wohnt, aber es ist mitten in der Nacht, Ben. Und ich bin …«
»Yeah!!! Du musst sofort vorbeikommen. Sofort!«
»Ben, es gibt im Moment Wichtigeres, das ich tun muss«, antwortete ich.
»DU BIST MEIN FAHRER!«
»Was?«
»Du bist mein Fahrer! Ja! Ich habe dich auserwählt! Bin ich froh, dass du ans Telefon gegangen bist! Du bist der Beste! Ich muss um sechs zu Hause sein! Und ich habe dich auserwählt, mich zu fahren! Yeah!!!!!!!!«
»Kannst du nicht einfach da übernachten?«, fragte ich.
»NEEEEIN! Buuuuh. Quentin, buuuuh. Hey, Leute! Buuht Quentin aus!« Und dann wurde ich ausgebuht. »Alle sind blau. Ben blau. Lacey blau. Radar blau. Keiner kann fahren. Um sechs zu Hause. Hab’s versprochen. Buh, Schlafmütze Quentin! Yeah, auserwählter Fahrer! Yeah!!!«
Ich holte tief Luft. Falls Margo vorhatte, noch mal herzukommen, wäre sie längst aufgetaucht. »Ich bin in einer halben Stunde da.«
»YEAH YEAH YEAH YEAH YEAH YEAH YEAH YEAH YEAH YEAH YEAH!!!!! YEAH! YEAH!«
Als ich auflegte, brüllte Ben immer noch. Ich blieb einen Moment still liegen, dann befahl ich mir aufzustehen und gehorchte. Verschlafen kroch ich durch das Loch in die Bibliothek und ins Büro, dann ging ich zur Hintertür raus und stieg in den Kleinbus.
Kurz vor vier war ich in Becca Arringtons Siedlung. Auf der Straße parkten zu beiden Seiten Dutzende von Autos, doch es mussten noch viel mehr Leute auf der Party sein, denn viele ließen sich fahren. Ich fand einen Parkplatz nicht weit vom RHAPAW.
Ich hatte Ben noch nie betrunken gesehen. In der Zehnten auf einer Orchesterparty hatte ich mal eine Flasche Erdbeerwein getrunken. Das Zeug hatte schon beim Trinken so schlimm geschmeckt wie nachher beim Reihern. Ben stand mir bei, als ich wasserfallartig die Winnie-the-Pooh-Kacheln in Cassie Hineys Bad vollkotzte. Ich dachte, das Erlebnis hatte uns beiden die Lust auf Alkohol langfristig verdorben. Bis heute Abend.
Ich war darauf vorbereitet, dass Ben betrunken war. Ich hatte ihn am Telefon gehört. Kein nüchterner Mensch würde so schnell hintereinander so oft »Yeah« sagen. Trotzdem war ich, nachdem ich mir den Weg durch die Raucher im Vorgarten gebahnt hatte und in der Haustür stand, überrascht zu sehen, wie Jason Worthington und zwei andere Baseballspieler Ben im Smoking an den Füßen hochhielten, während er auf einem Bierfass Handstand machte. Der Zapfschlauch führte direkt in seinen Mund, und alle Augen waren fasziniert auf ihn gerichtet. Die Menge sang im Chor : »Achtzehn, neunzehn, zwanzig«, und einen Moment lang dachte ich, Ben würde gefoltert werden oder so was. Doch nein. Während er wie ein Baby an der Brust an seinem Bierschlauch saugte, grinste er breit, so dass ihm rechts und links das Bier aus dem Mund
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