Maria, ihm schmeckts nicht!
noch Cousin Gianluca mit seiner Frau Barbara und seinen kleinen Kindern Ilaria und Antonio
mitgekommen, die sich als Rasselbande allererster
Kajüte entpuppen. Antonio hat alle eingeladen, die
Ferien in seinem Sommerhaus zu verbringen. Onkel
Toni aus Deutschland, Mann der Gesten und des
Großmuts. Seiner Ansicht nach hat das Haus vier-
zehn Betten. Mal sehen.
Mit Italienern zu reisen, ist fast nicht möglich, es sei denn, man ist selber Italiener. Italiener reisen nicht, sie irrlichtern. Obwohl Antonio den Weg wohl mehr
als einhundert Mal zurückgelegt hat, findet er ihn
nicht auf Anhieb. Schuld ist ein neuer Kreisverkehr am Ortseingang von Termoli, der ihm die Sinne raubt.
Also hält er mittendrin an, um sich mit Bruder Raf-
faele, Schwager Egidio und Neffe Gianluca zu bera-
ten, welcher über den Halt ohnehin heilfroh ist, weil sein Motor seit einigen Kilometern heftig qualmt.
Nach längeren Konsultationen entscheidet man sich
für eine Richtung, die am Ende sogar beinahe stimmt, und nach kaum drei Stunden trage ich unser Gepäck
sowie das meiner Schwiegereltern in das lang ersehnte Ferienhaus.
Dieses entpuppt sich als bizarre Mixtur aus atom-
sicherem Bunker und Schrebergartenlaube. Das Haus
ist ganz und gar aus Beton gefertigt, der nur innen verputzt wurde, wo die Einrichtung den Geist des
Italiens der sechziger Jahre widerspiegelt. Diese Vico-Torriani-Gedächtnisstätte hat sechs Schlafzimmer und ein Bad, zwar kein Wohnzimmer, dafür aber eine
riesige Küche mit einem langen Tisch, an dem man
sicher schön zusammensitzen kann.
Das Flair der Betten zerstört meine Begeisterung
allerdings innerhalb von Sekunden. Ich lerne meine
heutige Lektion: Der Italiener liegt gerne weich und besitzt keine Rückenwirbel. Deshalb liebt er Betten wie die in diesem Haus.
Italienische Betten sind, orthopädisch betrachtet,
Trojanische Pferde. Auf den ersten Blick sehen sie
harmlos und gemütlich aus, entpuppen sich jedoch
schnell als lebensgefährliche Folterwerkzeuge. Be-
reits beim Beziehen der Matratze entdecke ich, dass der ungemein nobel daherkommende Bettrahmen
nur eine Attrappe ist. Er umkleidet ein Stahlrohrgestell, in welches ein Sadist eine Konstruktion aus fe-derndem Drahtgeflecht eingelassen hat. Darauf liegt eine dicke Schaumstoffmatratze und fertig. Wie
überall in Italien werden dazu ein flaches Kissen und eine Art Laken gereicht, das man fest mit der Tagesdecke verbindet. Im Sommer reicht das auch. Diese
Konstruktion des Wahnsinns soll für die nächsten
zwei Wochen meinen Träumen eine Heimat bieten.
Ich setze mich aufs Bett, das dabei zusammensinkt
wie ein Soufflé, und denke an zu Hause. Dort steht
mein Bett. Es verfügt über ein stabiles Gerüst, einen Lattenrost, eine Taschenfederkernmatratze und eine
Daunendecke.
Soll ich jetzt etwas sagen? Etwa dass ich dieses
weiche Monster hier irgendwie nicht gut finde? Ich
habe eine Angst, die alle Deutschen im Ausland ha-
ben. Wann immer man nämlich als Deutscher im
Ausland etwas sagt, weil man beispielsweise Skor-
pione oder das Ebolavirus oder einen Südeuropäer
mit Handfeuerwaffe im Zimmer hat, muss man sich
darauf gefasst machen, dass die Kleinkariertheit dieser Kritik mal wieder nur eines ist, nämlich typisch deutsch. Davor habe ich wirklich eine fürchterliche Angst, nichts macht einen Deutschen so fertig wie
der Vorwurf, typisch deutsch zu sein. Also halte ich die Klappe und stelle mir vor, wie mein Orthopäde
in drei Wochen meinen Rücken inspiziert.
»Und das tut alles weh?«, wird er fragen.
»Oh ja, da auch, ja, ja, überall«, werde ich ant-
worten.
»Was haben Sie denn da bloß gemacht?«, wird er
fragen, und ich werde ihm von diesem Bett in diesem Urlaub erzählen, und er wird den Kopf schütteln
und sagen: »Tjaaa, wenn es ein Sportunfall wäre
oder ein Verkehrsunfall, meinetwegen sogar mit italienischer Beteiligung, dann könnte ich etwas
machen. Aber die Behandlung von Rückenproble-
men, die durch italienische Betten hervorgerufen
wurden, ist leider von den Kassenleistungen ausge-
nommen.«
»Was?«
»Die Krankenkassen übernehmen Schädigungen
durch italienische Möbel nicht mehr. Die Behandlun-
gen von Italien-Urlaubern kosten den Steuerzahler
jedes Jahr 1,5 Milliarden Mark.«
»Das habe ich nicht gewusst.«
»Fahren Sie demnächst nach Griechenland, da sind
die Betten härter.«
Sara räumt derweil unsere Sachen in den Kleider-
schrank. Ich habe nicht viel dabei: zwei Paar
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