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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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einen Sarg sehen. »Sie wollen damit zum Ausdruck bringen, dass sie froh sind,
    noch am Leben zu sein«, flüstert Sara.
    Am Friedhof angekommen, Öffnet man den Sarg-
    deckel in einer kleinen kühlen Aussegnungshalle.
    Alle sollen sich noch einmal von Calogero verab-
    schieden. Er trägt sein feines Jackett nebst Schirm-mütze sowie Hosenträger und ist bis zur Brust mit
    einem weißen, glänzenden Tuch zugedeckt. Nonna
    hat ihm sein Klappmesser mitgegeben. Mit diesem
    Messer hat er immer seine Salami geschnitten und
    im Sommer Pfirsiche in seinen kalten Rotwein. Als
    gebürtiger Sizilianer bestand er darauf, immer und
    überall sein eigenes Messer zu benutzen, auch im Restaurant. Als er einmal ins Krankenhaus musste,
    warf er das Besteck nach der Krankenschwester und
    zückte sein Messer, um damit seinen Pecorino zu
    schneiden. Es ist so gefährlich, dass Nonna Anna Te-safilm darum bindet, damit es nicht aufspringt, als sie es ihm in die Brusttasche steckt.
    Sie hat ihm auch seinen Gehstock dazugelegt,
    schließlich kann man nie wissen, was die Toten vor-
    haben. Diesen Stock hatte er in den letzten Monaten seines Lebens nicht mehr zum Gehen benutzt, sondern ausschließlich zum Drohen. Außerdem liegen
    noch seine Spielkarten im Sarg, denn wer weiß, vielleicht findet er im Himmel jemanden, der eine Partie scopa mit ihm spielen will. Sara weint.
    Nachdem alle maßgeblichen Angehörigen noch ein-
    mal »Auf Wiedersehen« gesagt haben, wobei viele
    seine Stirn berühren, kommen zwei Schreiner und
    schrauben den Sargdeckel mit Akkuschraubern zu.
    Immerhin Inbus, achtzehn Stück. Dann biegt ein Ga-
    belstapler um die Ecke und die Marios und Antonios
    wuchten den Sarg auf die Gabel. In gemächlichem
    Tempo folgt die Gemeinde dem tuckernden Gefährt
    bis zum Grab. Die ganze Zeit kommt mir der Sarg so
    kurz vor, und nun erkenne ich den Grund: Opa Calo-
    gero soll in einer Art Schließfach in einer Wand aus Beton beigesetzt werden. Erdbestattungen gibt es
    hier nicht.
    Es gibt schmale Fächer, in welche die Toten längs
    hineingeschoben werden. Diese Gräber sind nicht so teuer, machen aber auch nicht viel her. Außerdem
    gibt es noch solche, in die die Verblichenen quer
    hineinkommen. Und es gibt solche, die zwar breit,
    jedoch nicht breit genug sind. Gut, Herr Marcipane
    war kein Riese, aber doch größer als der Sarg, oder täusche ich mich da? Ist Opa Calogero am Ende nicht mehr komplett? Ich habe es bis heute nicht gewagt,
    diese Frage zu stellen.
    Nachdem die Arbeiter den kleinen Sarg in die Ni-
    sche gekantet haben, was nicht ohne ein paar Lack-
    platzer geht, sagt der Priester noch ein paar schöne Worte, man betet. Dann taucht ein freundlicher Bau-arbeiter auf. Er raucht und schiebt eine Schubkarre mit Zement vor sich her – er grüßt knapp und
    beginnt damit, den Opa einzumauern. Dabei klatscht
    der Zement gegen den Sarg,
    Wir schauen schweigend zu und irgendwann sagt
    Egidio anerkennend: »‘ne schöne Mauer, die der Opa
    da bekommt, ’ne wirklich schöne Mauer.«
    Das ist wohl das größte Kompliment, das du hier
    posthum kriegen kannst.
    So etwas wie einen Leichenschmaus gibt es zum
    Glück nicht, jedenfalls nicht in meiner Familie. Als die Mauer zu ist, gehen wir nach Hause.
    Eine Stunde nach der Bestattung ihres Mannes
    hat Nonna Anna wieder ihre Kittelschürze an und
    kocht einen Kaffee für Antonio, Ursula und mich.
    Die Toten spielen in ihrem Leben eine wichtigere
    Rolle als die Lebenden, mit deren Sprache und deren Vorstellungen sie nichts mehr verbindet. Früher sei sogar die Zukunft besser gewesen, sagt sie.
    Wir bleiben noch ein paar Tage bei Nonna Anna,
    die nicht alleine sein mag. Immerhin war sie seit dem Krieg nicht mehr länger als sechs oder sieben Stunden ohne ihren Calogero, der selbst früher, als er
    noch arbeitete, immer zum Mittagessen nach Hause
    kam. Sie sagt, dass sie absolut keine Lust habe, jetzt noch lange ohne ihn zu sein. Das versetzt die Tanten in Sorge, aber Nonna Anna gelobt, sich nicht zu versündigen.
    Dann erzählt sie eine Geschichte, die sich genau so auf dem Friedhof von Campobasso abgespielt haben
    soll:
    Es waren einmal zwei Nachbarinnen, die konnten
    einander nicht ausstehen. Die eine hieß Rosalia und die andere Mirella. Mirella hatte ihren Mann Pasquale im Krieg verloren. Er war einfach nicht zu-
    rückgekehrt. Rosalia behauptete zwar, dies bedeute
    keineswegs, dass Pasquale auch wirklich tot sei, denn niemand könne sich vorstellen, freiwillig zu einer
    Frau wie

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