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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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nur der Verkäufer.«
    Wenig später verschwindet er mit seiner gleich-
    mütigen Frau und kommt nach einer guten Stunde
    alleine zurück. Er hat einen Korb unter dem Arm, in dem sich ungefähr zwanzig Becher befinden, die er
    nun den umliegenden italienischen Familien als eis-
    gekühlte Toni-Bällchen anpreist. Die meisten Becher kaufen seine Geschwister, womit der Reingewinn
    sozusagen familienintern von der einen in die andere Tasche wandert. Toni ist sehr zufrieden mit der
    Ausbeute, aber der Stundenlohn gibt ihm zu denken.
    Die Sache, so befindet er schließlich, taugt nur im großen Stil. Solange er die Bällchen selbst verkaufen muss, macht ihm die Angelegenheit keinen rechten
    Spaß. Da er weder bei uns noch bei den Nachbarn
    auf willige Arbeitskräfte trifft, schläft das Millionen-geschäft mit den eisgekühlten Toni-Bällchen rasch
    wieder ein.
    Ich hingegen schlafe kaum noch, denn mein Bett
    erweist sich als untauglich zum Darinschlafen. Man
    kann darin noch nicht einmal wach sein. Sara findet das nicht. Sie schlummert wie ein kleines Tier, während ich mich auf eine Luftmatratze in Krokodilform lege, die ich nun immer dabeihabe. Am Strand und
    im Schlafzimmer ist das Krokodil mein ständiger
    Begleiter.
    Wenn die Marcipane-Sippe vom Meer kommt,
    wird erst einmal geduscht. Bis sechzehn Personen
    damit fertig sind, vergeht natürlich ein Weilchen, in dem mich Antonio über die italienische Politik
    unterrichtet oder mir erzählt, wie er einmal beinahe zum Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Italiens gewählt worden wäre, wenn nicht die Intrige eines Gegners seine Kandidatur in letzter Minute ver-
    hindert hätte.
    Danach natürlich das Essen, das von den Frauen
    gemeinsam gekocht wird. Als ich eines Abends dabei
    helfen will, ist das Getuschel groß. Nicht einmal ab-waschen darf ich, was mir in der ersten Woche noch
    unangenehm ist, danach nicht mehr so. Man passt
    sich ja an. Später, zu Hause in Deutschland, wird
    Sara ihre Einstellung in dieser Angelegenheit wieder ändern und mir erläutern, dass in Deutschland die
    Uhren anders gehen.
    Nach dem Essen ist es spät, Italiener spielen dann
    in der Regel Karten oder sie gehen bummeln. Anto-
    nio und seine Geschwister mochten am liebsten Po-
    ker oder scopa. Das ist ein einfaches Kartenspiel, in dem es darauf ankommt, die meinen Stiche zu
    gewinnen, sozusagen eine Mischung aus Mau-Mau
    und Skat.
    Wenn alle genug gespielt haben, geht man auf den
    corso. Den corso gibt es praktisch in allen italienischen Städten, ganz gleich wie groß sie sind. Es handelt sich dabei um eine Straße, meistens auf einem
    Platz von manchmal beträchtliche Ausmaßen. Fast
    immer ist das Rathaus oder die Kirche nicht fern. Am Rande des Platzes lässt es sich nun ausgiebigst ent-langlaufen, immer vor und zurück und drum herum.
    Die Geschäfte haben lange auf und Straßenhändler
    verkaufen Schmuck oder kopierte CDs.
    Antonio ist Weltmeister im Bummeln. Über den
    corso zu gehen, bedeutet für ihn nirgendwo sein. Wie das geht? Gaaaanz langsam spazieren, noch langsamer, als im Auto zu fahren. Ein Eis kaufen. Unver-
    mittelt stehen bleiben. Alles toll finden. Wieder ein Stück laufen. Und dabei reden. Umdrehen, ein Stück
    zurücklaufen. Noch ein Eis, andere Sorten. Zum
    Schaufenster vom Uhrengeschäft – Immer nett
    grüßen. Buona sera. Aha, Straße zu Ende, wieder umdrehen. Ich kaufe an einem einzigen Abend sieben
    Eis und kann mich beim besten Willen nicht daran
    erinnern, wo ich eigentlich war.
    Der corso ist für Italiener der Ort, an dem sie zeigen, was sie haben. Menschen jeder sozialen Schicht flanieren abends dort entlang und ich bin sicher,
    dass die wichtigsten Entscheidungen des Lebens hier fallen. Die Jugendlichen sitzen in großen Scharen am Rande des corsos auf ihren Zweitaktmopeds undVes-pa-Rollern. Selbst kleine Kinder dürfen hier so lange herumlaufen, bis ihnen vor Müdigkeit das Eis aus
    der Hand fällt, was man hin und wieder beobachten
    kann, besonders bei Ilaria und Klein Antonio.
    Man könnte seine Zeit natürlich sinnvoller ver-
    bringen. Mal ein Buch lesen, zum Yoga gehen oder in einen Verein. Die Italiener, die ich kenne, machen sich nichts aus Vereinen jedweder Art. Brauchtumspflege
    ist ihnen ebenso wurscht wie das Erlernen fremder
    Sprachen oder die Mitarbeit in gemeinnützigen Or-
    ganisationen. Sie schlendern lieber über den corso, das ist ihnen Verein genug. Man könnte dies als Igno-ranz geißeln, und damit liegt man nicht falsch, aber

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