Maria, ihm schmeckts nicht!
Schuhe, zwei lange Hosen, drei kurze Hosen, ansonsten
Strandsachen, T-Shirts, eine Jacke, ein Oberhemd.
Und den Anzug für eventuelle Trauerfeiern. Mehr
muss nicht sein. Das Schwerste an meinem Gepäck
sind die Bücher, die ich mir mitgenommen habe und
die ich nun neben dem Bett staple. Danach gehe ich
im Haus umher und sehe mal nach, was Toni so
macht.
Der steht wild mit den Armen herumfuchtelnd in
seinem Zimmer und dirigiert seine Frau, die gerade
einen ansehnlichen Stapel besserer Oberhemden in
einen Schrank quetscht, dem das gar nicht gefällt.
Auf dem Boden liegen noch zahlreiche Hosen, etwa
dreißig Unterhemden und allerhand kleine Dinge,
deren Nutzen sich mir nicht auf Anhieb erschließt.
»Dasse iste widder tippisch für Italien. De Schran-
ke iste viele zu kleine. Was glaubene die eigentliche, were wir sind? Die siebene Zwerge?«
Er ist wirklich erbost. Dabei hat er mir noch vor
wenigen Tagen erläutert, dass die Italiener die besten Möbel bauten und einen unfassbaren Sinn für Fragen
der Logistik besäßen. Aber da waren wir auch noch
in Deutschland.
Nach knapp zwei Stunden hat sich meine Familie
einigermaßen gesammelt und ist nach der aufregen-
den Auspackerei psychisch so stabil, dass man zum
Strand gehen kann. Das finde ich eine gute Idee,
denn es ist warm, es ist Sommer und das diamantene
Meer kann ich vom Balkon unseres Zimmers aus
sehen. Es ist höchstens hundert Meter entfernt.
Also los. Zuerst müssen wir die Straße vor unserem
Haus überqueren. Die ist nicht sehr breit, aber dicht befahren und bietet dem in Deutschland so genannten Parksuchverkehr den nötigen Raum. Großfamili-
en in Kleinwagen passieren uns. Am Steuer immer
der schwitzende Mann der klebrigen Frau mit dem
nörgelnden Nachwuchs und der schlafenden Oma. Es
ist nicht leicht, eine viel befahrene Straße in Italien zu überqueren, einige Übung ist dafür schon vonnöten.
Oder Mut. Am besten bewegt man sich als Fußgänger
im italienischen Straßenverkehr möglichst rasch und furchtlos. Der italienische Autofahrer ähnelt nämlich dem deutschen Schäferhund: Wenn er merkt, dass
man Angst hat, dann schnappt er zu.
Nachdem wir die Uferpromenade gefahrlos über-
schritten haben, stellt sich uns eine neue Herausfor-derung in den Weg: ein überwuchertes Niemandsland
mit einem städtischen Müllcontainer, um den herum,
die Bürger von Termoli allerhand Sperrmüll abge-
laden haben, auf dass er eine Symbiose mit der Um-
gebung eingehen möge.
Das ist alles nicht so schlimm, doch die Bewohner
dieses Ortes haben auch all ihre Scherben, Nägel und Schrauben an diesen Platz gebracht, und das ist für Menschen, die zum Strand wollen, nicht ungefährlich. Typisch deutscher Einwand.
Um an den Strand zu gehen, benötigen zehnein-
halb Italiener (meine Frau ist ja nur halb) vierundzwanzig Handtücher (je eines zum Abtrocknen und
eines zum Liegen), acht Luftmatratzen in Tierform,
zwei Tüten mit Melonen, Schwimmbrillen, Flossen,
Harpunen (acht Sätze), Hemden und Hosen zum
Umziehen, je zwei Badehosen oder Bikinis (Tanten:
Einteiler), Schaufel und Eimer (auch für Erwachse-
ne), Strandzelte, zahlreiche Telefoninos, Mineralwasser ohne Kohlensäure, Klappstühle (ganz wichtig),
Sonnenschirme, Bälle, ein Volleyballnetz und Müt-
zen. Dazu für jeden Einzelnen ein Sonnenöl, natür-
lich ohne Lichtschutzfaktor. Die Erfindung des
Lichtschutzfaktors hat in Italien ungefähr dieselbe Resonanz gefunden wie Präsidentschaftswahlen in
Lettland. Lichtschutzfaktoren sind etwas für Eng-
länder, die die Italiener übrigens noch viel mehr zum Piepen finden als die Deutschen.
Diese Schlepperei ist logistisch nicht ohne An-
spruch, aber irgendwie funktioniert es immer, alles ohne Unfall über die Straße und den Schrottplatz ans Meer und abends wieder zurückzuschleppen.
Ich selbst nehme nur ein Buch, eine Sonnenbrille,
Sonnencreme und ein Handtuch mit an den Strand,
worauf Tante Maria meine Frau fragt, ob ich viel-
leicht krank sei. Sie macht sich wirklich ernste
Sorgen um mich.
Am Strand sind Italiener Weltklasse. Es gibt ei-
gentlich nur zwei Strandtypen hier. Nummer eins ist die Echse. Sie liegt ganz still in der Sonne. Man
denkt, man beobachte eine Leiche auf Urlaub, doch
ab und zu bewegt sie die Finger oder dreht den
Kopf. Alle paar Stunden erhebt sich die Echse, um
sich ans Wasser zu stellen und geradeaus zu gucken.
Nach ein paar Minuten wird ihr das allerdings lang-
weilig und so legt
Weitere Kostenlose Bücher