Maria, ihm schmeckts nicht!
sind. Und eines mit Vasco, Benito, einem Greis ohne Zähne, mir und dem Brautpaar. Ich
nehme an, dass Anselmo das lustig fand.
Nach der Torte bin ich ein klein wenig müde. Wie
sollen sich da erst Paolo und Pamela fühlen, die seit vierzehn Stunden auf den Beinen sind? Aber der
glücklichste Tag ihres Lebens ist noch lange nicht
vorbei, denn nun geht der Spaß erst richtig los.
Erstens gibt es nämlich jetzt die Mitternachtssup-
pe, für alle, die seit zehn Minuten nichts mehr zu essen bekommen haben. Und zweitens wird nun eine
Bontempi-Orgel nebst Musikant in den Saal gescho-
ben. Die Zehnertische weichen in Windeseile dem
wunderbaren Magic Manfredino, welcher neben fal-
schen Zähnen auch falsche Haare sowie einen
bunten Strauß falscher Töne zu bieten hat, die er in zügiger Folge unters Volk bringt.
Großes Amüsement. Und das fast nüchtern, denn
hier wird wirklich wenig getrunken. Und komisch
dazu, besonders als Tante Veilchen sich in den Kopf setzt, mit mir zu tanzen. Zum Glück macht Anselmos
Geselle davon ein paar hübsche Aufnahmen.
Antonio und Ursula sind längst ins Bett gegangen,
möglich, dass sie auch nur die Hochzeit gewechselt
haben, ich schaue später lieber noch einmal nach.
Vasco tanzt mit der Braut und alle klatschen. Meine Sara fegt mit Onkel Egidio übers Parkett, der Trans-vestit hängt an einem älteren Mann mit Glatze, dem
das gefällt. An den abgerückten Tischen sitzen die
Alten und stecken die Köpfe zusammen. Magic Man-
fredino ist ein Entertainer alter Schule. Er steigert sein Programm, indem er erst internationale Ever-greens, dann jüngere Schlager und schließlich tradi-tionelle Volksweisen spielt.
Später schnappe ich mir meine Sara und wir tanzen
endlich. Im Gegensatz zu mir kommt sie mit der
Tarantella gut klar, aber es achtet niemand darauf.
Neben uns tanzt ein Knirps mit einer Kellnerin und
es sieht nicht einmal albern aus. Hier sieht nämlich gar nichts albern aus. Mir gerät in den Sinn, dass die Würde immer direkt aus den Menschen kommt und
dass es ihr egal ist, wo diese Menschen sich gerade befinden. Wir drehen uns im Ristorante Mazzini,
erste Etage, Saal zwei. Es ist eine wunderbare Nacht.
Fünf
Wir denken gerne an die Hochzeit zurück und freuen
uns, als zwei Monate danach eine Videokassette mit
einem Erinnerungs-Best-of eintrifft, auf der die wesentlichen drei Stunden der Feier zu sehen sind. Anselmos opus magnum enthält nicht nur verwegene
Kamerafahrten und sehr experimentelle Perspekti-
ven, sondern auch zahlreiche in der so genannten
post production hinzugefügte Tricks, von denen die Überblendungen und Weichzeichnerpassagen noch
die am wenigsten verblüffenden sind. Am besten
gefallen mir die Szenen zu Anfang, in denen man im
split screen Zeuge der Morgentoilette von Pamela und Paolo sein darf, er zieht sich links an, sie rechts, sekundiert von mindestens vier Freundinnen und
meiner Frau.
Meinen Status als Randfigur hat Anselmo ernst
genommen und ich bin immer nur halb verdeckt
oder mit viel Fantasie auszumachen. Gut so.
Eigentlich plane ich nun auf längere Sicht keine
Reise nach Italien mehr, selbst Sara will frühestens im kommenden Jahr wieder hinfahren. Dann ein An-ruf von Antonio.
»Liebe Jung, wie gehte dir?«
»Danke, und dir?«
»Imme guuut.«
Es folgen ein längerer Bericht über sein gesund-
heitliches Befinden sowie einige Scherze, die er nicht zum ersten und ganz sicher nicht zum letzten Mal unter Pfeifen und Heulen zum Besten gibt. Schließlich rückt er mit seinem eigentlichen Anliegen heraus. Die Kommode im Flur sei ihm schon länger im Weg, also
habe er sich entschlossen, dieses wunderbare Möbel
aus herrlicher deutscher Produktion seinem Lieb-
lingsneffen Marco zu schenken. Da Marco das Ding
aber nicht abholen kann, müsse Toni es ihm bringen.
»Aha, na denn gute Reise«, sage ich ohne Arg.
»Du musste mitkommen. Kanni nichte alleine
mache, iste zu schwer fur der alte Toni.«
Ich frage ihn, ob er die Kommode denn zu Fuß über
die Alpen zu tragen gedenke, aber bei seinem Sire-
nenlachen wird mir klar, dass ich eigentlich schon in seinem Auto sitze. Er hat mich fest eingeplant. Dass er mich so schnell zu dem Kommodentransport überre-det, ist kein Wunder. Seit unserem gemeinsamen
Urlaub habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, was mich an diesem Mann so fasziniert. Selbst für
seine italienische Verwandtschaft ist Antonio ein
ziemlich schräger Vogel.
Manchmal vergeht er in
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