Maria, ihm schmeckts nicht!
Antonio, der wild gestikulierend vor dem Hochzeitspaar
steht und auf die beiden einredet. Die anderen Gäste beobachten die Angelegenheit mit größter Spannung.
Ich laufe hin und erreiche die Szene gleichzeitig mit einem ziemlich korpulenten Herrn, der mich an-schaut, als sei er das Strafgericht und ich todgeweiht.
»Toni, da bist du ja.«
»Wo seide ihr denn alle? I komme da vom Klo
unde alle sind weg.«
Es stellt sich heraus, dass mein Schwiegervater auf der falschen Hochzeit friedlich zwei Gänge
eingenommen hat, dann aber von einem Grobian
vertrieben wurde, der behauptete, Antonio sitze auf seinem Platz. Daraufhin hat er sich beim Brautpaar
über die miese Behandlung beschwert und ihnen
mitgeteilt, dass er nicht viertausend Kilometer (Antonio-Zahl) gefahren sei, um sich von einem Fett-
wanst ohne Manieren wie jenem da drüben den Tag
vermiesen zu lassen, und dass so etwas in Deutsch-
land vollkommen unmöglich sei.
Besagter Fettwanst ist der Bruder des Bräutigams.
Just in dem Moment, als sich Antonio eine Tracht
Dresche erquatscht hat, erscheine ich auf der Bild-
fläche. Der Bruder knöpft sich die Manschetten auf.
Mein Beitrag zur gewaltfreien Lösung des Konfliktes erschöpft sich mangels Sprachkenntnis darin, dass
ich Antonio am Arm ziehe. Der merkt gar nicht, dass er mit seinem Leben spielt.
»Toni, komm jetzt.«
»Das iste nicht die Art, wie man Gäste behandelte.«
»Das ist auch nicht die Hochzeit, auf der du einge-
laden bist.«
»Iste nicht?«
»Sieht diese Frau vielleicht aus wie deine Nichte
Pamela?«
Nein, wirklich nicht, denn diese Braut ist ganz be-
merkenswert hübsch. Das kann Antonio unmöglich
entgangen sein.
»Ahhh, falsche Tanze.«
Unpassenderweise fängt mein Schwiegervater nun
an zu lachen, was der Fettsack auf sich bezieht und an seinem anderem Arm zieht. Nun zeigt Antonio
ein Kunststück, das ich bei ihm schon ein paar Mal
gesehen habe: sofortiges Einwickeln der Gegenpartei in Krisensituationen durch massives Vollsülzen. Innerhalb von wenigen Augenblicken wechselt die Stim-
mung. Schließlich gibt er dem Dicken die Hand,
dann stellt er sich den Brautleuten vor und sagt zu mir: »Wir sinde herzelich eingeladen auf diese
wundervolle Feier.«
»Toni, wir sind vor allen Dingen oben herzlich ein-
geladen. Wir hauen jetzt ab.«
Schließlich eise ich ihn von seinen neuen Freunden
los und wir gehen wieder hinauf.
»Wie hast du das gemacht? Was hast du denen er-
zählt?«
»Nur habe gesagt, dass der Wein auf unsere eigene
Hochzeit schmeckte wie Eselpisse und hatte deshalb
die Wunsch, eine ordentliche Wein zu trinken, und
diese Hochzeit iste viele besser als oben und deshalb er muss zufrieden sein für die Ehre, die ich ihm er-wiesene habe.«
Na, das wird Paolo aber freuen.
Als wir wieder im Liberace-Memorial-Saal an-
kommen, ist der elfte Gang vorüber, was mich nicht
gerade verstimmt. Ursula und Sara sind sehr erleichtert, uns zu sehen, Pamela ist inzwischen unter ihrem Make-up zerflossen und Paolo guckt unter seinem
Ölhaufen hervor, als bereue er die ganze Veranstal-
tung zutiefst. So sieht müdes Liebesglück aus. Kein Wunder, dass Anselmo die Hochzeitsnachtsfotos
bereits letzte Woche gemacht hat. Bei den beiden
wird, konstatiere ich, heute mit absoluter Sicherheit nichts mehr vollzogen – und die Ehe schon gar nicht.
Die Veilchentante neben mir ist eingeschlafen und
brummt dabei ein Lied. Aber nun kommt Bewegung
in die Feier, denn die Torte naht.
Es handelt sich dabei um ein riesiges, mehrstöcki-
ges Ungeheuer aus Butter, Eiern, Sahne und Zucker
in den Farben Rosa, Altrosa, Magenta, Violett und
Weiß. Für die Präsentation dieses diätischen Alb-
traums wird der Saal verdunkelt, dann tragen vier
Mann das Monstrum herein, auf dem Wunderkerzen
abbrennen. Brupps! Die Alte neben mir wird schlag-
artig wach und stößt dabei mein Wasserglas um.
So ein Stück Torte, sozusagen als Betthupferl, das
finde ich nicht übel, doch bis ich eines bekomme, soll noch ein Stündchen vergehen, denn nun muss Anselmo erst das gute Stück fotografieren. Damit nicht genug, jeder soll mal an der Torte stehen. Zuerst na-türlich das Brautpaar, danach das Brautpaar mit den Eltern. Dann mit den Großeltern. Dann mit den Geschwistern. Mit den Cousinen. Mit den Onkeln. Mit
den Tanten. Mit den Onkeln und den Tanten. Mit dem Priester. Und so weiter und so fort. Schließlich gibt es auch noch ein Bild, auf dem Sara und ich mit dem Brautpaar zu sehen
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