Maria, ihm schmeckts nicht!
Melancholie und sitzt für
Stunden schweigend herum, dann wieder sägt er be-
hände an den Nähten der Nervenkostüme seiner Mit-
menschen. Ich erhoffe mir Aufklärung von unserer
Reise und ich werde nicht enttäuscht. Am Ende sind
wir nicht zwei Tage geblieben, sondern sieben, und
dazwischen liegt ein ganzes Leben.
Nachdem Antonio mich abgeholt hat, macht er es
sich auf dem Beifahrersitz bequem und schläft um-
gehend ein. Hinten ist kein Platz mehr für ihn, denn da liegt schon die Kommode und fault vor sich hin.
Er ist die sechshundertfünfzig Kilometer zwischen
seiner und unserer Wohnung in rekordverdächtigen
neuneinhalb Stunden gefahren, und zwar »tippe-
toppe ohne eine einzige Situation pericolosa und keine kleine Stau weite und breite«.
Ich fahre also los und kaue an den Käsebroten, die
meine Frau uns mitgegeben hat, während Antonio
mit seinem Schnarchen die Anlieger der Brenner-
Autobahn unterhält. Komisch: Zu Hause schläft der
nie, auf Reisen ständig. Vielleicht sollte er für sein Schlafzimmer ein sich drehendes Bett kaufen.
Am Südende des Gardasees wacht er auf, und von
da an redet Antonio ohne eine einzige Unterbre-
chung, bis wir in Campobasso ankommen. Etwa auf
der Höhe von Bologna erläutert er mir das Wesen
von Silvio Berlusconi: »Iste ein imbroglione, eine Kerl, eine Gauner, aber iste erfolgereich. Italiener liebene nich die Politik, aber liebene sie die Erfolge.« Ich stimme zu, schließlich spielen auch italienische Fuß-
ballmannschaften meistens einen grausamen, aber
erfolgreichen Fußball. Anstatt jetzt beleidigt zu sein, ruft Toni begeistert: »Dasse iste, warum wir liebene die Deutschen.« Wenig später halten wir am auto-grill, um Sandwiches zu kaufen. Nachdem Antonio für jede einzelne Sorte gewissenhaft recherchiert hat, ob sie auch gut ist, nehmen wir tramezzini und trockene Baguettes mit Käse.
Etwa bei San Benedetto, südlich von Rimini, lerne
ich, warum die Leitplanken in Italien verrostet sind:
»Iste wegen salzige Meer. Luft wehte von eine Seite zur andere und dann kommte die corrosione. Aber machte nichts, musse man langsamer fahren, dann
tute es nichte so weh.« Kurz nach der Abzweigung
nach Perugia erfahre ich alles über Albanien, wo Antonio noch nie war, das italienische Fischereiwesen und Mussolini. Fünf Stunden später kommen wir an.
Nachdem mir Nonna Anna in die Wange gekniffen
hat, kommen die üblichen Verwandten und es wird ge-
gessen. Inzwischen bin ich hervorragend in die Familie eingeführt. Es wird nicht mehr allzu viel Rücksicht auf mich genommen, ich bin einfach dabei und es
stört nicht. Antonio übersetzt sehr ausführlich und ziemlich frei, was die Konversation nicht gerade ver-einfacht. Immerhin kann ich jetzt die wesentlichen
Themen einigermaßen verfolgen. Mein Italienisch ist schon viel besser als zu der Zeit unserer Flitterwo-chen. Damals hatte mir Sara eingeschärft, in ihrer
Abwesenheit immer diesen italienischen Satz zu sa-
gen: »Ich kann kein Italienisch, aber meine Frau,
einen Moment bitte.« Als sie einmal in einem Restaurant auf die Toilette musste, kam natürlich während-dessen der Kellner, um mich irgendetwas zu unserer
Bestellung zu fragen, was meine Möglichkeiten
überschritt. Ich sagte also mein Sätzlein. Der Kellner starrte mich an und begann schallend zu lachen.
Dann verschwand er, worauf auch in der Küche ge-
gackert wurde.
Kaum kam Sara von der Toilette zurück, erzählte
ich ihr. was passiert war, und sie fing ebenfalls an, herzlich zu kichern, was mich sauer machte. Als der Kellner sich wieder blicken ließ, alberte meine Frau mit ihm herum und beide amüsierten sich auf das
heftigste und vor allem auf meine Kosten. Schließlich klärte mich meine Frau darüber auf, dass ich dem
Kellner mitgeteilt hätte, ich könne zwar kein Italienisch, wohl aber mein Pullover. Ich hatte »moglie«
und »maglia« verwechselt.
Von einem Bekannten habe ich gehört, dass er einen
hübschen Erfolg verbuchte, als er einmal in einem
Hotel in Verona ein Zimmer mit einem hübschen
Blick auf die Dächer wünschte, und zu der Dame an
der Rezeption sagte: »Vorrei una camera con una bella vista sulle tette.« Die Frau nahm das persönlich und belferte ihn an, dass es in ihrem Haus solche Zimmer nicht gebe. Ein zur Klärung des Sachverhaltes herbei-gerufener Kofferträger erläuterte meinem Bekannten, er habe soeben ein Zimmer mit einem schönen Blick
über die Titten (»tette«) bestellt und nicht
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