Maria, ihm schmeckts nicht!
Glupschaugen und einer gepunkteten
Weste, ist nämlich auch für ein weiteres offizielles Fotoalbum sowie den obligatorischen Film zuständig, das gehört alles zusammen. Für den Film hat er einen Gehilfen mitgebracht, der die Videokamera bedient.
Sara und ich sind genau so angezogen, wie man
sich bei einer Hochzeit anzieht, jedenfalls in Deutschland. Im Unterschied zur Beerdigung von Calogero
fühle ich mich diesmal allerdings keineswegs zu elegant gekleidet, eher im Gegenteil. Meine Familie hat richtig dick aufgetragen, besonders die Tanten im
Gesicht, fast bekommt man den Eindruck, hier werde
eine mexikanische Soap-Opera aus dem Industriel-
lenmilieu gedreht.
Pamela wurde nicht unbedingt zu ihrem Vorteil in
ein sehr enges Brautkleid gesteckt und anschließend mit sehr viel Tüll umwickelt, was ihr das Aussehen eines Ostereis verleiht. Paolo hingegen wirkt dagegen vergleichsweise calvinistisch. Er trägt eine Spencer-jacke und darunter ein Hemd mit Rüschen sowie eine
violette Hose mit einem schwarzen Streifen an der
Seite, dazu Lackschuhe. Seine auftoupierten schwar-
zen Locken glänzen in der Sonne wie eine Nord-
seemöwe nach einer Ölpest. Antonio trägt übrigens
dasselbe Outfit wie bei unserer Hochzeit. Sara, ich und ein überaus schöner Mann sind die Einzigen, die nicht verkleidet aussehen. »Das ist Vasco, der schwu-le Cousin aus Mailand. Hübsch, was?«
Als Mädchen, erzählt mir Sara, sei sie in Vasco verliebt gewesen, genau wie die anderen Mädchen aus
Campobasso. Dass er heute hier ist, hat im Vorfeld
für reichlich Zunder gesorgt, denn es gibt einige Tanten, die Homosexualität für eine ansteckende Krank-
heit halten und sich Sorgen gemacht haben, Vasco
könne den Bräutigam womöglich damit infizieren
und die Hochzeit ins Wasser fallen lassen, ganz
ernsthaft. Letztlich siegt die Vernunft und Vasco, der in seiner Kindheit eng mit Paolo befreundet war,
darf kommen. Seinen Lebensgefährten lässt er lieber in Mailand.
Bei der Trauung spielen sich erschütternde Szenen
ab, weil Paolos Mutter so erbärmlich schluchzt, als sei ihr Sohn gerade ums Leben gekommen. Auch
Antonio weint neben mir, auf dass Ursula klagend
an die Decke der kleinen Chiesa di Leonardo schaut.
»Was ist denn mit ihm?«, flüstere ich meiner
Schwiegermutter ins Ohr.
»Der kennt die beiden kaum, aber diese Kirche
macht ihn so traurig. Und Pater Alfredo. Er kennt
ihn schon seit seiner Kindheit.« Der Schluckauf von Pater Alfredo ist übrigens einem trockenen Husten
gewichen.
Nach dem Traugottesdienst und den obligatori-
schen Glückwünschen tritt wiederum der Fotograf
auf den Plan und fotografiert, was das Zeug hält. Sein Gehilfe gibt der Gemeinde ununterbrochen Komman-dos, er scheucht uns wie Schafe über den Kirchplatz und filmt dann vorsichtshalber alles, ohne allerdings vorher die Schutzkappe vom Objektiv zu nehmen.
Nach einigen Minuten merkt dies Anselmo, so heißt
der Fotograf, und verpasst seinem tölpelhaften Gesellen vor versammelter Mannschaft einen fürchter-
lichen Heb-Senk-Einlauf. Dies schüchtert nicht nur
ihn ein, der hernach mit zitternder Kamera sein Werk verrichtet, sondern auch uns. Brav stellen wir uns in jeder erdenklichen Kombination vor den Bugatti und
lächeln, wie nur Menschen in Todesangst zu lächeln
in der Lage sind.
Nach einer guten Stunde geht es in einem Auto-
korso ins Restaurant. Leider kommt die Hälfte der
Hochzeitsgäste, die hinter Antonio hergefahren sind, mit großer Verspätung an, was den Zeitplan komplett durcheinander bringt. Bereits auf dem Park-
platz kommt uns ein wütender Koch entgegen und
fragt, ob wir denn eigentlich noch ganz bei Trost seien und ob wir uns vorstellen könnten, wie es sei, für dreihundert Personen zu kochen. Er spricht vor allen Dingen mit mir, und da ich nichts verstehe, lächle ich ihn an und sage, er solle sich an meinen Schwiegervater wenden.
Im ersten Stock des Restaurants betreten wir einen
Saal, der wirkt, als sei er eine Kreuzung aus dem
Präsidentenpalast von Saddam Hussein und dem
Wohnzimmer von Liberace. Wir legen unser Ge-
schenk zu den anderen Paketen und stellen zufrie-
den fest, dass zumindest die Verpackung den all-
gemeinen Geschmacksnerv getroffen hat.
An der Stirnseite des Saales nimmt das Brautpaar
Platz. Es thront in der Mitte einer langen Tafel, an der sich auch die Eltern, Omas und Geschwister nieder-lassen dürfen. Für alle anderen gibt es Zehnertische.
Wir sitzen mit zwei
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