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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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Luft.
    Rüdiger räusperte sich.
    Gerd bekam in seiner Raserei davon allerdings nichts mit.
    Nur der Hund sah Rüdiger, sah das Messer, sah die Butter an dem Messer und machte sich weiter keine Sorgen.
    Auf dem Teppichboden lag der Weihnachtsmannsack von Karl-Heinz. Vorhin war er noch schlaff gewesen, jetzt blähte er sich prallgefüllt auf. War bestimmt voller Beute.
    Rüdiger nahm den Sack an sich.
    Er schaute noch einmal den Hund an, von dessen wild glühenden Augen er immer nur bruchstückhaft etwas mitbekam, wenn der Pitbull an ihm vorbeigeflogen kam. Rüdiger ließ das Buttermesser fallen.
    Gerds Geschrei folterte sein Trommelfell gewaltig.
    Rüdiger schulterte den Sack und ging wieder nach unten.
    Karl-Heinz stand nicht mehr in der Tür. Er stand vornübergebeugt am Esstisch und schnupperte.
    »Rieche ich da etwa eine Hefeteigfüllung?« Er schnupperte geräuschvoll. Der falsche Karl-Heinz war nämlich begeisterter Hobbykoch. An die Haushälterin gewandt, meinte er: »Mit einem Sirup aus Honig und Sojasoße eingestrichen?« Er fuhr sich mit einer fleischigen Zunge über die Lippen.
    »Du, Karl-’einz«, sagte Rüdiger, ohne dabei seinen falschen französischen Akzent zu vergessen. Eine Meisterleistung, wenn man sich die Gesamtsituation mal genau überlegte. »Gerd ist unabkömmlisch, und das Messer war nicht scharf genüg für die Hünd.«
    »Und was ist in dem Sack?«, wollte Karl-Heinz wissen, richtete sich auf und trat einen Schritt auf Rüdiger zu.
    Dummerweise hatte Rüdiger schon vor Karl-Heinz’ Frage mit dem rechten Arm Schwung geholt, um ihm den Sack zuzuwerfen. Der Sack traf Karl-Heinz folglich unvorbereitet, und zwar volle Kanne mitten ins Gesicht, weswegen er nach hinten stolperte, den Halt verlor und rücklings zu Boden ging. Dabei löste sich eine neue Salve aus dem Schnellfeuergewehr. Alle kauerten sich zusammen, auch Rüdiger. Er hörte noch einen dumpfen Knacks, dann Stille.
    Die Stille des Todes.
    Also, abgesehen von Gerds Schreien und dem Knurren des Hundes aus dem oberen Stockwerk. Und dem immer noch oratierenden Knabenchor aus den teuren Bose-Boxen.
    Karl-Heinz lag reglos vor dem Esstisch. Auch sein Brustkorb hob und senkte sich nicht mehr.
    Rüdiger tippte auf finalen Genickbruch.
     
    Wenn Rüdiger in seinen zweiundzwanzig Lebensjahren etwas klargeworden war, dann, dass er nicht zu den hellsten Köpfen auf diesem Erdenrund gehörte. Zum Nachdenken brauchte er immer etwas länger. So stand er und stand er und erwachte erst aus seinem Grübelkoma, als es mit einem Schlag wirklich totenstill wurde. Die Knabenchor- CD war verstummt, und aus dem oberen Stockwerk hörte man weder Schreie noch Knurren.
    In diese Stille hinein reifte in Rüdiger spontan eine Erkenntnis. Er steckte zu tief drin. Ein Anruf bei der Polizei stand mittlerweile außer Frage. Ihm kam zugute, dass die Agentur ihre Aushilfen schwarz beschäftigte und er deshalb einen erfundenen Namen hatte angeben können: Jacques Clouseau, französischer Austauschstudent.
    Nein, es gab keinen Weg zurück. Er musste auswandern, möglichst weit weg, wie Patagonien oder Frankfurt an der Oder. Er würde sich etwas Geld von den Köhlbrand-Messerschmidts leihen und andernorts noch mal völlig neu anfangen.
    Aber man durfte ihn bis dahin nicht erkennen. Also fing er an, Karl-Heinz zu entkleiden.
    Karl-Heinz war im Übrigen nicht tot, nur komatös. Das feuerrote Weihnachtsmannkostüm war Rüdiger definitiv zu groß und hing formlos an seinem hageren Körper herab, aber egal, dann sah er eben aus wie der Weihnachtsmann nach einer Weight-Watchers-Diät. Er wollte ja keinen Weihnachtsmann-Schönheitswettbewerb gewinnen. Hauptsache, er war inkognito unterwegs und nicht als Rüdiger.
    Eklig war der Bart. Rüdiger hasste Vollbärte. In denen lebten Suppennudeln, Zecken und anderes Kleingetier. Er spürte förmlich, wie die Eiterflechte zu wuchern begann, als er sich den Bart überstreifte. Aber es half ja alles nichts.
    Als er sich rundum verkleidet aufrichtete und den Sack schulterte, hörte er auf einmal wieder das Knurren des Pitbulls. Nur sehr viel lauter. Und näher. Quasi direkt hinter ihm.
    Rüdiger drehte sich um.
    Und ja, da stand der Pitbull. So nah, dass Rüdiger das Namensschild am Halsband lesen konnte.
    Sonja.
     
    »Ho, ho, ho«, rief Rüdiger und versenkte das Messer tief ins Fleisch.
    Es hatte etwas von einem Schlachtfest an sich.
    Mit dem Tranchieren hatte er es nicht so: Soße spritzte auf, Gänsefetzen flogen.
    Sonja sabberte

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