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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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Schon die Androhung von Gewalt ließ ihn erzittern. Er war eine rückgratlose Memme und würde seine eigene Familie ans Messer liefern, wenn man ihm nur ein wenig Zigarettenrauch ins Gesicht blies.
    Gerd lief derweil nach oben in den ersten Stock der Villa, vermutlich um den Schlafzimmertresor auszuräumen. Oder wo reiche Menschen sonst so ihre Habseligkeiten horteten. Rüdiger hatte keine Ahnung. Er zuckte zusammen, als Karl-Heinz sich vor ihm aufbaute. »Was ist jetzt? Bist du mit von der Partie?«
    Rüdigers Adamsapfel hüpfte.
     
    Einer Antwort wurde er Gott sei Dank enthoben, weil über ihnen plötzlich ein entsetzliches Geschrei ertönte, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die unmenschlichen Schreie entrangen sich eindeutig der Kehle von Gerd. Wie schützten die Köhlbrand-Messerschmidts ihre Wertsachen? Mit eisernen Fußfallen? Die Schreie schienen nicht enden zu wollen.
    Karl-Heinz fuchtelte mit dem Schnellfeuergewehr. »Was ist da los?«, verlangte er zu wissen.
    Die gefesselten und geknebelten Köhlbrand-Messerschmidts guckten nur, wie man als Geisel eben guckt. Ängstlich. Bis auf die Hausherrin in Kaschmir, die guckte empört.
    »Geh nachsehen!«, befahl Karl-Heinz und schubste Rüdiger in Richtung Treppe.
    Rüdiger hob das weiße Spitzenkleid an, pustete sich eine blonde Kunsthaarlocke aus dem Gesicht und stieg vorsichtig die Stufen hoch. Der Gedanke an Flucht keimte kurz in ihm auf, aber Karl-Heinz stand mit dem Gewehr in der Tür und beobachtete mit dem rechten Auge die Geiseln und mit dem linken Auge ihn. Dabei half ihm, dass er von Natur aus schwer schielte.
    Stufe um Stufe näherte sich Rüdiger den Schmerzensschreien von Gerd. Vielleicht hatten die Köhlbrand-Messerschmidts im ersten Stock ja einen Bodyguard-Schrägstrich-Ninja versteckt, der Gerd gerade mit gezielten Handkantenschlägen vierteilte? Rüdiger konnte kein Blut sehen. Sein Adamsapfel hüpfte schon wieder. Konnten Adamsäpfel Muskelkater bekommen?
    Als er das Treppenende erreicht hatte, sah er, was das Problem war: Ein riesiger, gescheckter Pitbull hatte sich in Gerds grünes Weihnachtselfgesäß verbissen.
    Rüdiger hatte einmal gelesen, dass es unmöglich war, den Kiefer dieser vierbeinigen Kampfmaschinen auseinanderzuhebeln, wenn sie sich erst mal verbissen hatten. Das sah nicht gut aus für Gerd.
    »Mach doch was!«, schrie Gerd.
    Rüdiger öffnete die erste Tür rechts. Ein Badezimmer. Ziemlich edelkitschig mit vergoldeten Armaturen. Auch hier Weihnachtsdeko in Form von weißen Keramik-Engeln. Er füllte einen Zahnputzbecher mit Wasser, trat wieder hinaus auf den Flur und schüttete das Wasser über den Hund.
    Wenn in diesem Augenblick Hund und Opfer etwas einte – außer der Tatsache, dass sich die spitzen Hauer des einen in die Weichteile des anderen verbissen hatten –, dann der verächtliche Blick in ihren Augen. Der Blick galt Rüdiger.
    »Hilft nicht«, konstatierte Rüdiger.
    Gerd sah aus, als hätte er Rüdiger am liebsten erwürgt.
    Der Hund knurrte.
    »Ich sag mal Karl-Heinz Bescheid«, erklärte Rüdiger und trat den strategischen Rückzug an.
     
    »Hat er wenigstens schon irgendwas einkassiert?«, wollte Karl-Heinz wissen, nachdem Rüdiger ihm Bericht erstattet hatte.
    »Äh, hab ich nicht gefragt.« Rüdiger schürzte die Lippen.
    Jedem anderen hätte ein Kerl wie der falsche Karl-Heinz in diesem Moment den Lauf der Knarre gegen die Nase gerammt, aber nicht Rüdiger. Rüdiger war das personifizierte Unschuldslamm. Naiv und lieb. Aber auch strunzdumm.
    »Dann geh hoch und frag ihn«, raunzte Karl-Heinz. »Hier, nimm das Messer mit und schneid der Töle die Kehle durch.« Alle Köhlbrand-Messerschmidts gaben Jammerlaute durch ihre Socken beziehungsweise Feinstrümpfe von sich, sogar die Kaschmirfrau, aber die vermutlich nur, weil sie Angst hatte, die Putzfrau könnte die Blutflecken nicht mehr aus dem Teppichboden bekommen.
    Rüdiger stapfte die Treppe hoch. Er hatte noch nie etwas getötet. Nicht, dass er Vegetarier war, aber was er aß, pflegte bereits tot zu sein. Und im Grunde mochte er Hunde. Wer wusste schon, ob nicht Gerd in diesem Fall der Böse war und er den braven Haushund nicht grundlos getreten hatte? Vielleicht handelte es sich seitens des Hundes um reine Selbstverteidigung?
    Oben war es in der Zwischenzeit noch lauter geworden. Gerd wirbelte wie ein Derwisch im Kreis und schrie gellend. Der Hund hing festgebissen an Gerds Hintern und rotierte in dieser Halbhöhe knurrend durch die

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