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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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Lohnsteuerjahresausgleich oder Wiedervereinigung!«
    »Was ist denn los? Warum schießt du denn jetzt mich wegen Dachau an?«
    »Warst du mal dort im KZ?«
    »Na! In der Gedenkstätte selber war i net, aber an Film hab i gesehen drüber.«
    Doch nach kurzem Zögern entschließt er sich zur Wahrheit, denn am Ende kann die Frau neben ihm wirklich seine Gedanken lesen.
    »Also, bevor du des irgendwie anders erfährst, sag ich’s lieber. Ich bin in Dachau wegen Drogen verhaftet worden. Aber es wär’ mir lieb, wenn du es vor meinen Eltern nicht weiter erwähnen würdest. Die würden das am liebsten vergessen. Ist ein eher dunkler Fleck in unserer Familiengeschichte.«
    Miriam sieht den Cowboy erstaunt an.
    »Das mit dem dunklen Fleck ist jetzt ein Witz, oder? Du machst einen Witz, um vom KZ abzulenken?«
    Joes Gesicht ist ernst.
    »Na, des is koa Witz. Des eine ist genauso wahr wie das andere. Ich bin in Dachau mit einem Koffer Drogen erwischt worden. Aber natürlich weiß ich, was in Dachau passiert ist. Jeder bei uns kennt Dachau, aber des mit derer Gedenkstätte find ich eher bedenklich. Allein im letzten Jahr waren achthunderttausend Besucher aus aller Welt dort. Einmal hab i an Brasilianer und sei Freundin direkt vom Flughafen zum KZ fahren müssen. Nur deswegen sind die nach München gekommen. Sie wollten herausfinden, ob man es noch spürt. Des war mir echt zu pervers. Ich sollte warten, bis sie ihren Rundgang fertig hatten, und auf dem Rückweg zum Flughafen sind s’ dann übereinander hergefallen. Stimulierend fanden sie unser KZ, sehr stimulierend, und i hab an Hunderter extra gekriegt fürs Polsterreinigen.«
    Wieder Schweigen. Die letzten Häuser verschwinden. Die Autobahn beginnt. Joe beschleunigt langsam, während Miriam ins wohltuende Dunkel starrt.
    »Im Konzentrationslager Dachau wachsen Pappeln. Vor den Baracken standen die auch damals schon, nur waren es damals junge Pappeln. Jetzt sind sie riesig.«
    »Aha.«
    »Ich finde nicht, dass Bäume an solchen Orten wachsen sollten. Man hätte sie nach dem Krieg in einen Wald versetzen sollen, wo sie sich erholen können. Es ist einfach nicht richtig, dass diese Bäume da heute noch stehen müssen. Bäume vergessen nicht.«
    »Tun sie nicht?«
    Jetzt muss Joe wider Willen lächeln. Seine Mutter wird ihren Spaß mit dieser Frau haben.
    »Nein. Ein Baum vergisst nie.«
    Joe wagt einen zweiten kurzen Seitenblick, auch um ihr sein Lächeln zu zeigen, denn für ihn ist es völlig in Ordnung, dass man ihm solche Dinge erzählt. Schließlich ist er seit frühester Kindheit mit Wahnsinn aufgewachsen. Aber als er zu Miriam hinübersieht, entdeckt er etwas, das ihn aufs Äußerste beunruhigt. Miriam hat in Mollys warmem Gebläse die Ärmel ihres Pullis bis zu den Ellenbogen hochgeschoben, und da sind Narben auf ihren Unterarmen, die Joe bis ins Mark erschrecken. Einen kurzen Moment driftet er von der Fahrspur ab, doch Miriam bemerkt es nicht einmal. Sie ist voller Leidenschaft bei ihren Bäumen.
    »… wenn du dein Gesicht an die Rinde eines Baumes legst, der in der Nähe von einem Kreuz steht, wo ein Mensch an einem Unfall gestorben ist, wird er dir davon erzählen. Du musst dazu die Augen schließen und den Baum bitten, dass er dir zeigt, wer er ist. Jeder Baum ist eine eigene Persönlichkeit. Wenn du Glück hast und ein Baum dich mag, wird er in schnellem Wechsel sein Leben zeigen. Tag, Nacht, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Den Holzfäller, der seinen Bruder abgeschlagen hat, wirst du vielleicht sehen und auch den Autounfall. Bäume mögen nicht, wenn ein Mensch mit dem Auto gegen sie fährt und stirbt. Es macht sie für immer traurig.«
    Miriam hält einen Moment inne. Sie hat ihre Hände auf den Bauch gelegt. Die Kleine strampelt. Ihr warmes, mütterliches Lächeln lässt sie in diesem Moment wunderschön aussehen. Joe möchte, dass sie weiterredet.
    »Was passiert, wennst zu einem Baum gehst, der mitten in am schönen Wald vielleicht auf a sonnigen Lichtung steht?«
    »Na, so ein Baum hat dann meistens warme und frohe Gefühle. Bei so einem Baum kann man sicher ganz viel Glück und Zuversicht tanken.«
    Joe lächelt wieder, aber diesmal ist es ein schmerzliches Lächeln. Es ist nicht nur das Gerede über die fühlenden Bäume, das ihm Sorge bereitet, sondern es sind die Narben an den Unterarmen. Sie reihen sich in geringen Abständen in Dreiergruppen aneinander. Er sieht solche Narben nicht zum ersten Mal. Seine erste Frau war eine Ritzerin. Rosemarie

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