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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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liegt in Richtung unserer Berge. Und meine Berge seh ich auch in dieser Straße in der Nacht im Schneegestöber. Weil ich sie genau hier sehe.«
    Er zeigt auf eine Stelle zwischen seinen Augenbrauen, wo gerade ein paar Schneeflocken zu Wassertropfen werden, die in Richtung Nase rinnen. Miriam hält kurz die Luft an. Es ist die Stelle des dritten Auges. In Shambala dürfen nur die Eingeweihten sie berühren. Forschend sieht Miriam in seine im Dunkeln erweiterten Pupillen. Joe ist ihr Blick unangenehm. Er räuspert sich.
    »Und hier drinnen seh ich unsere Berge auch und mein Minga.«
    Damit zeigt er ziemlich präzise auf die linke Brusttasche seiner Jacke und meint sein Herz. Miriam atmet aus und nickt vorsichtig. Was wohl als Nächstes kommt?
    »Wenn man unglücklich ist oder krank in der Seele, dann fährt man bei uns raus aufs Land. Meine Eltern haben einen Bauernhof mit einer Ferienwohnung, und die ist grade frei. Magst du die Berge?«
    Miriam nickt vorsichtig. Der Cowboy spricht von den Bergen und möchte sie dahin mitnehmen, damit es ihr besser geht. Das ist ganz eindeutig ein weiteres Zeichen dafür, dass da eine gewisse Verbindung besteht. Kurz schließt Miriam ihre Augen, um vielleicht doch noch einmal kurz nach Shambala zu kommen. Der Cowboy könnte ein strafversetzter Hohepriester Shambalas sein aus der Zeit vor Miriams Amtsantritt als Königin. Aber sie kommt nicht mehr zurück. Shambala, Hannah und der tote Tensing sind verschwunden. Hinter ihren Lidern wartet lediglich langweiliges Schwarz, als Molly beginnt, aus der Stadt herauszufahren.
    Joe ist alles andere als wohl. Der enorme Bauch auf dem Beifahrersitz wogt in jeder Kurve durch die Innenstadt so, als könnte es jeden Moment losgehen. Er scheint eine Art Eigenleben zu entwickeln, zumal Miriam sich gerade aus einigen Schichten Kleidung schält, die vom Schnee feucht geworden sind. Lieber hätte er Miriam wieder hinten im Wagen, aber die Kinder wollen schlafen. Anna-Sophies geflüsterte Fragen an ihren Bruder werden in größer werdenden Abständen einsilbig beantwortet. Der Junge kann kaum noch die Augen offen halten, während die Kleine sich leise plappernd ihrer Puppe widmet. Nur vereinzelte Worte kann Joe verstehen, aber ein Name wiederholt sich. Anna-Sophie redet von diesem Ort Shambala, wo sie mit Papagena hin will. Er fragt leise nach hinten, um Miriam nicht zu stören, weil er glaubt, dass sie ebenfalls schläft.
    »Dieses Shambala? Wo liegt denn das?«
    Schweigen von der Rückbank. Dann ein Kichern.
    »Ist ein Geheimnis.«
    Damit wendet sich Anna-Sophie erneut ihrer Puppe zu, aber Miriam beantwortet Joes Frage mit geschlossenen Augen.
    »Shambala ist für jeden Menschen woanders.«
    »Ah so.«
    Joe konzentriert sich erneut aufs Fahren. Augenscheinlich will Miriam ihn nicht einweihen, aber seine Gedanken beginnen jetzt stärker um seine drei Passagiere zu kreisen. Er hat begonnen, die beiden Kinder in sein Herz zu schließen, und macht sich Sorgen. Wenn die Tante durch die Geburt ausfällt, werden die Münchner Ämter eingreifen und natürlich ihr Bestes tun, denn immer tun Ämter ihr Bestes, oder sie versuchen es zumindest. Das Resultat ist leider oft erbärmlich. Zu dieser Einstellung hat sich Joe letztendlich durchgerungen, nachdem er einige Jahre das amtlich-bayerische Wohlwollen bis an die Schmerzgrenze strapaziert hatte. Joe war damals in schlimmen Schwierigkeiten, und als er wegen angeblichen Handelns mit Drogen ins Gefängnis musste, drohte für mehrere Jahre ein Parkplatz hinter Gittern. Aber dieser Warnschuss hat ihn auch zurück ins Leben katapultiert. In der Zeit seiner Untersuchungshaft hatte ihm zum ersten Mal Elvis Presley gefallen, was mit seinem Zellengenossen zu tun hatte, den Joe noch heute gelegentlich in der Strafanstalt Bernau besucht. Sein Zellennachbar hat damals fünfzehn Jahre bekommen, während Joe durch amtliche Fürsprache mit einem blauen Auge davonkam. Das hatte er ausschließlich seiner Mutter zu verdanken, die über drei Ecken, vom Kirchenchor zum Chiemgauer Backzirkel und zurück, die Frau eines hohen Richters um Hilfe angefleht hatte. Diese Wohltäterin hatte Verständnis für einen entgleisten Mann aus ihrem ursprünglichen Heimatdorf und legte bei ihrem richtenden Mann ein geschicktes Wort ein. Joe hatte nach dem Tod seiner Frau katastrophale Jahre, auf die er heute nur mit Schamgefühlen zurückblicken kann. Er hatte zu stärkeren Drogen gegriffen, nachdem wahlloser Sex seinen Reiz verloren hatte. Gerade

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