Mariana: Roman (German Edition)
ist der Wille des Herrn. Die Sache ist entschieden.«
Das tanzende Feuer flackerte, wurde schwächer und verschwand.
Ich blinzelte. Ich stand in der Blackfriars Lane inmitten von Bauschutt auf einem dunklen und leeren Grundstück. Es hatte zu regnen begonnen, ein kalter, anhaltender Frühlingsregen, und ein vorbeifahrendes Auto spritzte eisige Gischt auf, deren Kälte meinen ganzen Körper durchdrang und mich mit den Zähnen klappern ließ. Wenige Häuser weiter strömten gelbliches Licht und Gelächter vermischt mit Musik durch die offene Tür des örtlichen Pubs, und ich lenkte meine taumelnden Schritte in diese Richtung.
Das Taxiunternehmen reagierte schnell auf meinen Anruf. Ich ließ mich für die kurze Fahrt nach Islington auf den Rücksitz sinken und verkroch mich in die schattige Ecke, wo ich für die Lichter der schnell vorbeifliegenden Straßenlampen nicht erreichbar war.
Im Taxi war es nach dem Regenwetter draußen überhaupt nicht kalt; aber ich zitterte und zitterte, als würde mir nie wieder warm werden.
Kapitel sechs
»Mariana.« Vivien schmeckte den Namen auf ihrer Zunge wie einen Wein von fragwürdigem Jahrgang und legte ihren blonden Kopf stirnrunzelnd in den Nacken. »Nein, ich erinnere mich nicht, von jemandem mit diesem Namen gehört zu haben. Du vielleicht, Ned?«
Ohne von seiner Zeitung aufzusehen, verneinte der Barmann mit einem Kopfschütteln, und Vivien fuhr fort, den Kassenbericht zu machen.
»Ein ziemlich ungewöhnlicher Name, oder?« bemerkte sie. »Altmodisch.«
»Komisch, daß du diesen Ausdruck verwendest.« Ich lächelte in mein Glas Orangensaft, und sie sah interessiert von ihrer Arbeit auf.
»Du hast wohl alte Liebesbriefe unter den Dielenbrettern gefunden?« fragte sie.
»So etwas Ähnliches. Es ist wirklich nicht wichtig.« Ich stellte mein Glas auf dem Tresen ab und warf einen Blick auf den leeren Tisch in der Ecke.
»Wie ich sehe, sind die Jungs heute gar nicht da.«
Vivien folgte meinem Blick und lächelte. »Es ist noch früh.«
Ich sah auf meine Armbanduhr und stellte einigermaßen überrascht fest, daß es erst halb eins war. Zugegebenermaßen noch etwas zu früh für die guten Leute von Exbury, um schon in den Pub zu eilen, besonders an einem Sonntag. Mir dagegen kam es vor, als sei es schon mitten am Nachmittag.
Ich hatte die Nacht zuvor schlecht geschlafen. »Geschlafen« war im Grunde das falsche Wort, da ich den größten Teil der Nacht mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit gestarrt und die leuchtende Digitalanzeige der Nachttischuhr dabei beobachtet hatte, wie sie die Minuten abzählte, eine nach der anderen.
Ich hatte diese seltsamen und beängstigenden Augenblicke in der Blackfriars Lane von neuem durchlebt, sie in meinem Kopf hin- und hergewendet, bis ich das Gefühl hatte, langsam verrückt zu werden. Das Erlebnis gehörte nicht zu der Sorte Erfahrungen, über die ich mit irgend jemandem sprechen konnte, wirklich nicht. Tom hätte mir vielleicht zugehört, aber es war Sonntag, und Tom war sonntags nicht verfügbar. Am Frühstückstisch in der einsamen Londoner Wohnung hatte Cheryls Katze mich nur ausdruckslos angestarrt.
»Was meinst du?« hatte ich sie gefragt. »Bin ich dabei, wahnsinnig zu werden?« Die Katze hätte einfach weitergestarrt. Von der Seite waren also keine Antworten zu erwarten, entschied ich. Also war ich nach Hause gefahren.
Merkwürdig, dachte ich, wie, dieses kleine, verschlafene Dorf so schnell zu meiner Heimat geworden war. Noch merkwürdiger, wie London, wo ich so viele Jahre verbracht hatte, mir jetzt seltsam fremd und weit entfernt schien.
»War es schön, mal wieder in der Stadt zu sein?« nahm Vivien mit fast unheimlicher Treffsicherheit meine Gedanken auf.
»Weißt du«, sägte ich nachdenklich, »ich habe gerade überlegt, wie schön es ist, aus London heraus zu sein. Zu Hause zu sein.«
Sie nickte verständnisvoll. »Wenn man hier lange genug lebt, kommt einem London allmählich ziemlich unwirklich vor. Die Menschen sind so angespannt dort. Ich frage mich oft, wie überhaupt jemand diesen Streß aushalten kann, Tag für Tag. Was meinst du dazu, Iain?«
Ich schreckte von meinem Sitz auf und drehte mich um. Wie immer hatte ich sein Kommen nicht gehört.
»Ich? Ich habe nichts übrig für London«, sagte Iain Sumner, lehnte einen Ellbogen auf den Tresen und kreuzte seine Füße mit den schweren Stiefeln übereinander.
»Du schleichst wie eine verdammte Katze«, beschuldigte ich ihn gereizt. Meine Nerven
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