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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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eine logische und plausible Erklärung war, entschied ich, als ich darüber nachdachte. Toms Predigten waren notorisch unorthodox, und wenn er auf der Kanzel stand, war es genauso wahrscheinlich, daß er über Kricket sprach, wie daß er aus der Bibel zitieren würde. Zweifellos hatte sich seine Gemeinde an seine Exzentrizitäten gewöhnt und akzeptierte sie mittlerweile fraglos.
    »Ich muß ein paar von meinen alten Lehrbüchern über vergleichende Religionswissenschaft heraussuchen«, war mein Bruder inzwischen fortgefahren. »Darin sollte auch einiges über Reinkarnation stehen. Sowohl Hindus als auch Buddhisten glauben daran, soviel weiß ich.«
    »Also ich weiß nicht, ob ich selbst völlig davon überzeugt bin«, gestand ich ihm. »Aber was immer geschieht, hängt eindeutig mit meinem Haus zusammen.«
    »Und du bist sicher, daß du dorthin zurückkehren willst?« Ich dachte an mein schönes, sonniges Atelier; an die freundlich-gesellige Atmosphäre des Roten Löwen, wo Ned ständig am Ende der Bar seine Zeitung las; an Geoffrey de Mornay und wie seine Augen sich verdunkelten, wenn er lächelte …
    »Ja«, antwortete ich, »ganz sicher. Es ist fast, als ob – ich weiß, das klingt idiotisch –, aber es ist fast, als ob ich aus einem bestimmten Grund nach Greywethers gerufen wurde. Als ob ich dorthin gehörte.«
    »Gar nicht idiotisch. Ich glaube, daß alles aus einem bestimmten Grund geschieht.« Da sprach der Pfarrer aus ihm. »Und ich glaube, daß du recht hast. Du mußt zurückgehen und dich dieser Sache stellen, wenn du jemals Frieden haben willst. Du mußt herausfinden, was du kannst, über diese Mariana. Wenn dir das gelingt, erfährst du vielleicht, warum das alles mit dir geschieht. Irgendeine unerledigte Geschichte vielleicht, die zu ihrem Ende gebracht werden muß.«
    »Das wäre eine Möglichkeit, nehme ich an.«
    »Oder«, fügte er grinsend hinzu, »meine Theorie mit dem früheren Leben ist totaler Blödsinn, und du wirst am Ende doch einfach nur langsam verrückt. Wie Großtante Sarah.«
    Ich zog eine Grimasse. »Ein sehr tröstlicher Gedanke.«
    »Wozu hat man schließlich einen großen Bruder?« fragte Tom, immer noch grinsend.
    »Allerdings«, räumte ich ein, »ist Verrücktwerden vielleicht wirklich die naheliegendste Erklärung. Ich bin immer noch nicht sicher, ob ich an das Prinzip der Wiedergeburt glauben kann. Es kommt mir doch ein bißchen unwahrscheinlich vor, meinst du nicht?«
    Tom warf mir einen Seitenblick zu und zuckte die Achseln. Dann ließ er seinen Blick wieder über den ausgedehnten, grünen Rasen schweifen, wo die langen Schatten des frühen Abends sich auf dem frisch gemähten Gras ausbreiteten wie sanft streichelnde Finger. »1665 war das Pestjahr, sagtest du? Wer war damals auf dem Thron?«
    »Karl der Zweite, soweit ich weiß.«
    »Ach so, stimmt. Noch einer von den unglücklichen Stuartkönigen, nicht wahr? Hast du den Eintrag über seine Krönung gelesen?«
    »Nein, so weit bin ich nicht zurückgegangen.«
    »Nun«, Tom lehnte sich zurück, »da wir schon über böse Omen gesprochen haben – es hat damals den ganzen Tag über wie aus Eimern gegossen.«
    Ich schüttelte vage verneinend den Kopf. »Es hat erst am Abend angefangen zu regnen«, verbesserte ich ihn. »Als die Zeremonie beendet war.«
    »Es war an einem Samstag, glaube ich.«
    Meine Antwort kam diesmal mit längerer Verzögerung. »Nein. Es war ein Dienstag.«
    »Und der Boden war mit einem roten Teppich ausgelegt.«
    »Er war blau …« Ich drehte mich wie vor den Kopf geschlagen zu ihm um und traf auf seinen wissenden Blick.
    »Du hast recht«, sagte er. »Vermutlich hat es nicht viel Sinn, der Reinkarnationstheorie nachzugehen.«
    Ich hatte ihn angestarrt, zunächst unfähig zu antworten, mein Verstand vor Verblüffung wie betäubt. »Verflucht noch mal«, hatte ich langsam gemurmelt. Denn schließlich, Pfarrer hin oder her …
    »Genau«, hatte Tom geantwortet und sich lächelnd wieder seiner Predigt zugewandt.
    Der Verkehr vor mir löste sich auf, und das plötzliche Lärmen einer Autohupe riß mich ruckartig aus meinen Erinnerungen. Immer noch in wärmende Heiterkeit gehüllt, brachte ich den kleinen Peugeot auf die schnellere Spur, trat fester auf das Gaspedal und richtete meine Schultern mit einem leisen Seufzer am Fahrersitz auf. Den Rest des Weges fuhr ich still konzentriert.
    Als ich über die kleine Brücke holperte, die Exbury ankündigte, legte sich die Decke der Zufriedenheit noch enger um

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