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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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ein paar Tage bleiben und dich gründlich ausruhen.«
    »Danke, aber ich kann nicht.« Ich setzte mich auf einen bunt bezogenen Stuhl ihm gegenüber. »Ich muß morgen zurück. Woran arbeitest du?«
    Er hielt das Notizbuch schräg und zeigte mir die eng bekritzelten Seiten. »Predigt. Du hast doch so einen guten Wortschatz, soweit ich mich erinnere. Was ist ein anderes Wort für ›spontan‹?«
    »›Ungeplant‹?«
    »Sehr gut.« Er schrieb weitere unleserliche Zeichen mit dem Bleistift und legte dann das Notizbuch wieder weg. »Konntest du schon etwas in dem Pepys lesen?«
    »Mmm.« Ich lehnte mich zurück, schlug die Beine übereinander und wippte lässig mit dem Fuß. »Ich habe fast alles aus dem Pestjahr gelesen. Es war 1665, übrigens. Ziemlich schreckliches Zeug.«
    Soweit ich es hatte rekonstruieren können, hatte sich die Pest allmählich ausgebreitet und war durch die Handelsschiffe, die unkontrolliert über den Kanal von Amsterdam nach London und zurück segelten, herübergekommen. Als sich die Seuche einmal festgesetzt hatte, hatte sie sich ausgebreitet wie eine schwärende Wunde und war mit tödlicher Zielstrebigkeit durch die übervölkerten Vororte bis in die Stadt selbst vorgedrungen. Mit einem Gefühl der Tragik, geboren aus der nachträglichen Einsicht des zwanzigsten Jahrhunderts, hatte ichgelesen, wie die Londoner in ihrer abergläubischen Unwissenheit schleunigst alle Hunde und Katzen abgeschlachtet hatten, wo doch gerade diese Tiere die wachsenden Populationen der pestbringenden Ratten hätten eindämmen können. Selbst heute, mit all unserer modernen Medizin, wäre ein Ausbruch von Beulenpest ein beängstigendes Ereignis. Den Menschen des siebzehnten Jahrhunderts mußte die Seuche wie die Apokalypse selbst vorgekommen sein.
    »Bist du auf irgend etwas Interessantes gestoßen?«
    »Auf einiges. Weißt du noch, wie ich dir erzählte, daß ich von zwei Kometen geträumt hätte? Offenbar wurden nämlich tatsächlich zwei Kometen über London gesichtet, einer im Dezember 1664 und der zweite im Frühjahr des Pestjahres. Sie erregten viel Aufsehen, nach Pepys. Galten als böses Omen.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen«, nickte Tom. »Kometen wurden als Zeichen bevorstehenden Unheils angesehen zu dieser Zeit. Und nicht einmal ohne Grund. Auch der berühmte Wandteppich von Bayeux zeigt bei der Krönung des armen alten Harald zum König, kurz bevor Wilhelm der Eroberer die englische Armee in den Boden stampfte und einen Pfeil durch Haralds Auge schoß, einen auftauchenden Kometen.«
    »Stimmt nicht«, widersprach ich ihm. »Du hattest den falschen Geschichtslehrer, mein Lieber. Der Bursche auf dem Teppich mit dem Pfeil im Auge ist nicht Harald. Harald wird mit einem breiten Schwert oder so was erschlagen, in einer späteren Szene.«
    »Egal. Jedenfalls bedeuteten Kometen immer Unglück. Die historische Antithese zu deinen verdammten Staren, wenn du so willst. Kam dir sonst etwas in dem Tagebuch bekannt vor?«
    »Eigentlich nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Ein paar Dinge, die er zu Beginn des Jahres erwähnt, schienen etwas in meiner Erinnerung zum Klingen zu bringen, aber wenn er über die Sommermonate schreibt, in denen die Menschen wie Fliegen auf den Straßen starben, fühle ich überhaupt nichts.«
    Mein Bruder lächelte mich an, mit diesem gewissen, selbstzufriedenen Lächeln, das gewöhnlich bedeutete, daß er gleich eine besserwisserische Bemerkung machen würde. »Na ja, kannst du ja auch nicht, oder?«
    »Was meinst du damit?«
    »Angenommen, du warst in einem früheren Leben wirklich diese Mariana, dann kannst du schlecht wissen, wie es in London auf dem Höhepunkt der Pestepidemie zuging. Du warst zu dieser Zeit schon aus London fortgeschickt worden, erinnerst du dich? Aufs Land.«
    »Nach Exbury«, grübelte ich. Dann nahm ich mich zusammen und lächelte ein wenig beschämt. »Das klingt alles ziemlich weit hergeholt, nicht wahr? Wie aus einem Schauerroman.«
    »Oh, ich weiß nicht«, sagte Tom achselzuckend. »Für mich klingt es eher faszinierend. Ich habe übrigens unseren Gemeindebibliothekar auf die Spur angesetzt, wir müssen also abwarten, was er zum Thema Reinkarnation ausgräbt.«
    Ich sah ihn lächelnd an. »Erfand nicht, daß das ein etwas seltsames Forschungsfeld für den Pfarrer des Ortes ist?«
    »Um Himmels willen, nein.« Tom wischte den Einwand beiseite. »Ich habe ihm gesagt, daß ich die Informationen für eine bevorstehende Predigt benötige.«
    Was tatsächlich

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