Mariana: Roman (German Edition)

Sicht auf die dunkle Baumreihe, die die gemächliche Windung des Flusses im Osten meines Grundstücks markierte, und jenseits davon auf das klar umrissene Flickenmuster der Felder und die flach gewellte Hügellandschaft. Im Südosten, gerade noch in meiner Sichtweite, wachte der untersetzte, zinnenverzierte Kirchturm über das Dorf, und die hohen Ziegelschornsteine von Crofton Hall erhoben sich herrschaftlich über einem grünen Baldachin aus Bäumen.
    Ich hatte noch nichts von Geoffrey de Mornay gehört und nahm daher an, daß er noch geschäftlich unterwegs war. Irgendwo oben im Norden, hatte Iain gesagt. In Lancashire vielleicht, spekulierte ich, oder in Northumberland. Morland Electronics hatte Werke in beiden Grafschaften.
    Jedenfalls, rief ich mich selbst zur Ordnung, wartete ich nicht mit angehaltenem Atem auf seinen Anruf. Schließlich war ich ja kein liebeskranker Teenager und hatte genug andere Dinge im Kopf, die meine Zeit in Anspruch nahmen. Außerdem, überlegte ich, als ich nach unten ging, um mir eine längst überfällige Tasse Tee zuzubereiten, kannte ich den Mann erst seit einer Woche.
    Was nicht erklärte, weshalb ich, als das Telefon tatsächlich zu läuten begann, fast über den Küchentisch sprang, um den Hörer abzunehmen. Oder warum meine Stimme plötzlich schwül klang und Bilder von der frühen Greta Garbo heraufbeschwor.
    »Halloo?«
    »Julia?«
    »Ach, du bist’s«, antwortete ich, unüberhörbar enttäuscht.
    »Entschuldigung.« Tom klang betroffen. »Wer sollte ich denn sein?«
    »Niemand.« Ich fand meine normale Stimme wieder. »Was gibt’s?«
    Mein Bruder schwieg einen Moment, entschied sich, der Sache nicht weiter nachzugehen, und sprach dann etwas zurückhaltender weiter. »Ich komme gerade von der Bibliothek«, teilte er mir mit, »und dachte, dich würden vielleicht ein paar von den Sachen interessieren, die mein Bibliothekar für mich ausgebuddelt hat.«
    »Schon? Er ist ja wirklich ganz schön schnell.«
    »Er ist ein ungeheuer fleißiger junger Mann. Jedenfalls«, fuhr Tom fort, »hat er es geschafft, neben der Erstellung einer ellenlangen Liste von berühmten Leuten, die an Wiedergeburt glaubten – von Plato bis Voltaire –, die offiziellen religiösen Auffassungen sowohl des Hinduismus als auch des Buddhismus zum Thema zusammenzutragen. Seitenweise Informationen! Die grundlegende Theorie lautet, daß die menschliche Seele immer wieder in ein Leben auf der Erde zurückgeschickt wird, bis sie die Lektionen gelernt hat, die nötig sind, um in einen höheren Seinszustand überzugehen.«
    »Und was sind das für Lektionen?«
    »Das wird nicht genauer bestimmt. Es gibt allerdings das Gesetz des Karma, welches besagt, daß alles, was man in einem Leben tut, sich auch auf zukünftige Leben auswirkt; wenn du also ein richtiger Fiesling in diesem Leben bist, wirst du es im nächsten ordentlich schwer haben. Aber das«, schränkte Tom in seiner üblichen rationalen Art ein, »ist natürlich nur die religiöse Sichtweise. Ich habe hier auch eine Menge Berichte über wissenschaftliche Forschungen, die das Phänomen der Wiedergeburt unterstützen, ohne die religiösen Aspekte in Betracht zu ziehen.«
    »Wissenschaftliche Forschungen?« echote ich. »Du nimmst mich auf den Arm.«
    »Nein, wirklich.« Ich konnte das Rascheln von Papieren im Hintergrund hören. »Einige Leute nehmen das todernst. Zum Beispiel hat ein Professor für Psychiatrie an der Universität von Virginia 1700 Fälle von Leuten gesammelt, die bewußte Erinnerungen an frühere Leben haben. Die meisten davon sind Kinder, die aus heiterem Himmel heraus behaupten, daß sie eine bestimmte Person in einem vergangenen Leben gewesen sind und ein früheres Zuhause oder sogar frühere Freunde und Ehepartner identifizieren können. Sehr seltsam alles. Es gibt da einen faszinierenden Fall in Indien…«, er hüstelte, und ich hörte wieder Seitenrascheln. »Aber ich schweife ab. Der andere Hauptforschungszweig scheint von Hypnotherapeuten auszugehen, wenn man denn an so etwas glauben will. Sie haben buchstäblich Tausende von Menschen in vergangene Leben zurückversetzt und festgestellt, daß die meisten ganz gewöhnliche Leute mit ganz gewöhnlichen Leben waren. Oh, hier ist noch etwas Interessantes. Ein Artikel über spontane Erinnerungen an vergangene Leben, und darin steht, daß die im Zusammenhang mit der Studie befragten Leute alle von einem Klingen in den Ohren, begleitet von Schwindelgefühlen, kurz vor dem Erlebnis