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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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Bibliothekar, der es liebt, ungewöhnliche Informationen aufzustöbern.«
    »Du glaubst wirklich an die Möglichkeit früherer Leben?« fragte ich ihn, und er zuckte mit den Achseln.
    »Die Wege des Herrn sind unergründlich«, antwortete er lächelnd.
    »Oh, das erinnert mich an etwas«, sagte ich und setzte mich gerade auf. »Hast du schon einmal von einer Bibelpassage gehört, die beginnt ›Blast die Posaune zu Zion‹ oder so ähnlich? Ich kann mich an den Rest nicht erinnern, irgend etwas mit erzitternden Bewohnern und dem Tag des Gerichts.«
    Tom verdrehte die Augen. »Klingt nach einem der Untergang und Finsternis verkündenden Burschen des Alten Testaments«, riet er. »Michäa vielleicht oder Joel.« Er stand auf, ging zu seinem Schreibtisch hinüber und nahm eine vielbenutzt aussehende Bibelausgabe zur Hand. Mehrere Minuten lang blätterte er schweigend darin, und ich wollte ihm schon sagen, daß es doch nicht so wichtig sei, als er plötzlich triumphierend mit dem Finger auf eine Seite stieß. »Aha! Es ist Joel. Kapitel zwei, erster Vers. Hier hast du es.«
    Er reichte mir die aufgeschlagene Bibel und zeigte auf die Stelle. Während ich die kurze, düstere Passage las, setzte sich Tom wieder in seinen Sessel und kratzte sich müßig die Stirn. »Mein voriger Hilfspfarrer liebte es, aus Texten des Propheten Joel zu lesen«, sagte er grinsend. »Richtiges Hölle-und-Verdammnis-Zeug, nicht sehr anregend für die Gemeinde. Aber ich glaube, der alte Joel schrieb während einer Heuschreckenplage, so daß er wohl ein Recht hatte, düster zu klingen.«
    Plage … Pest … etwas rührte sich in meiner Erinnerung, und ich hob den Blick von der Seite. »Wann war die große Pest zu London, weißt du das?«
    »Es gab mehrere, soweit ich weiß«, antwortete Tom. »Den Schwarzen Tod, natürlich, um 1300.«
    Ich schloß die Augen halb und ließ die Szenen vor mir ablaufen, versuchte, mich auf die Kleidermode zu konzentrieren, die Frisuren, die Möbel im Haus …
    »Nein«, ich schüttelte den Kopf, »die Pest, die ich meine, muß später gewesen sein.«
    »Es gab noch eine schlimme Pestepidemie Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, kurz vor dem großen Brand.«
    »Das ist sie.« Ich war mir nicht sicher, woher ich das wußte, aber ich wußte es.
    »Was möchtest du darüber wissen?«
    »Alles.« Ich hob vielsagend die Schultern. »Ich weiß nicht viel über diese Zeit. Aber es ist die Zeit, in der Mariana lebte, da bin ich mir sicher. Ihre Mutter starb an der Pest.«
    »Nun, mein Wissen über das siebzehnte Jahrhundert ist auch ziemlich eingerostet. Ich erinnere mich noch ganz gut an die Geschichte mit dem Bürgerkrieg und die Enthauptung Karls des Ersten und an Cromwell natürlich, aber was die Pest betrifft … warte mal«, unterbrach er sich und sein Gesicht hellte sich auf, »ich habe eine Ausgabe von Pepys’ Tagebuch irgendwo hier herumliegen. Er hat das Pestjahr recht genau festgehalten, glaube ich. Mal sehen, ob ich es für dich finden kann.«
    Er stand zum zweiten Mal auf und durchforstete das überfüllte Bücherregal am anderen Ende des Zimmers. Nach langer Suche zog er einen eingezwängten Band heraus und schlug ihn auf. »Hier ist es. Eine ganz schöne Ausgabe sogar. Ich habe sie bei einem Ramschverkauf in Oxford erständen.« Er gab mir das kleine Buch, das bequem in meiner offenen Hand lag, und ich sah auf den Titel und las ihn laut vor:
    » Samuel Pepys, F.R.S.: Tagebuch aus dem London des 17. Jahrhunderts. Wofür steht das ›F.R.S.‹?«
    »Fellow of the Royal Society, Mitglied der Königlichen Gesellschaft«, ergänzte Tom. »Er arbeitete im Admiralitätsbüro und führte von 1659 bis 1669, als er fürchtete, daß sein Augenlicht nachließ, ein Tagebuch. Ursprünglich hatte es einen Umfang von mehreren Bänden. Meine Ausgabe ist leider eine gekürzte Version, bei der wahrscheinlich alle pikanten Stellen gestrichen wurden, aber es ist immer noch eine sehr interessante Lektüre.«
    »Danke.« Ich schloß das Buch und umklammerte es fest.
    Tom betrachtete mich nachdenklich. »Du kannst gerne ein paar Tage bleiben, weißt du. Das heißt, wenn du willst –«
    »Danke. Mal sehen, wie ich mich später fühle.«
    Mrs. Pearce erschien in der Tür. »Ich habe das Bett im blauen Gästezimmer hergerichtet«, verkündete sie sachlich, als sei es das Normalste von der Welt, daß die Schwester des Pfarrers noch vor dem Frühstück vorbeikam, um dann den Tag zu verschlafen. »Möchten Sie noch ins Bad, bevor ich

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