Mariana: Roman (German Edition)
es mir immer noch viel zu leicht, Schätzchen.« Sein Lächeln war nachsichtig. »Dich auf die Palme zu bringen, meine ich. Du kannst dich wieder abregen, ich habe ihr nur gesagt, daß ich dich vor einiger Zeit hier treffen wollte, aber Probleme mit dem Auto hatte und deshalb zu spät kam. Ich fragte sie, ob sie dich gesehen habe, und sie sagte ja, und dann gab ich mich ganz schuldbewußt und kaufte die beiden Kaffee. Sie denkt jetzt wahrscheinlich, daß du es leid wurdest, auf mich zu warten, und nach Hause gegangen bist und daß ich mich jetzt aufmache und versuche, dich wieder zu versöhnen. Alles klar?«
»Ja.«
»Gut. Dann geh ein bißchen in Deckung, wenn wir am Laden vorbeifahren, ja? Ich möchte nicht, daß mich die Frau auch noch für einen Casanova hält, zusätzlich zu einem unzuverlässigen Windhund, der seine Freundinnen im Regen stehen läßt.«
Entgegenkommend rutschte ich im Sitz tiefer, und wir umrundeten die Marktplatzstatue und machten uns auf der Old Marlborough Road wieder auf den Weg zurück nach Exbury.
»So«, sagte ich und richtete mich auf, als wir sicher außer Reichweite waren, »womit möchtest du den Rest deines Besuchs verbringen? Dieses ganze Melodram muß furchtbar langweilig für dich sein.«
»Im Gegenteil, seit einer Ewigkeit hatte ich nicht so viel Aufregung.« Tom grinste breit. »Aber ich muß zugeben, daß meine Pläne für den Tag etwas prosaischer waren. Ich dachte, daß wir in deinem Pub dort zu Mittag essen könnten …«
»Was, im Roten Löwen?«
Er nickte. »Ich denke, es ist höchste Zeit, daß ich ein paar von deinen neuen Freunden kennenlerne. Einfach, um meine Neugier zu befriedigen. Und dann, nachdem ich neue Schlösser an deinen Türen angebracht habe, dachte ich, könnte ich dich für den Rest des Tages nach Swindon entführen. Wir könnten ein wenig durch die Geschäfte bummeln, wenn du möchtest, irgendwo schick essen gehen und vielleicht sogar hinterher ins Kino. Weißt du noch, wie es ist, ins Kino zu gehen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht«, seufzte er. »Also, wie findest du meinen Vorschlag?«
»Ich finde, er klingt himmlisch«, gestand ich.
»Sehr gut. Dann machen wir es so.«
Wir fuhren eine Zeitlang schweigend dahin, doch dann zog Tom auf einmal die Stirn in Falten und sah mich an.
»Julia, ich habe über etwas nachgedacht.«
»Ja?«
»Diese Vergangenheitssache. Ich glaube nicht, daß du damit herumexperimentieren solltest, Geschehnisse absichtlich herbeizuführen und so.«
Ich starrte ihn an. »Aber letzte Woche hast du noch gesagt –«
»Ich weiß. Aber das war, bevor ich gesehen habe … wie es ist. Wie du bist, wenn es passiert. Und jetzt, da ich es gesehen habe, habe ich meine Meinung geändert. Überleg doch mal«, flehte er mich an. »Du könntest auf der Straße von einem Auto niedergemäht werden oder sonst etwas. Und die Vergangenheit könnte genauso gefährlich sein. Woher willst du wissen, daß sich diese Mariana nicht aufgehängt oder im Fluß ertränkt oder sich von einer Klippe gestürzt hat?«
»Es gibt keine Klippen in der Nähe von Exbury.«
»Du weißt, was ich meine. Wir wissen einfach noch nicht genug über dieses ganze Phänomen, und ich finde, die Unsicherheiten sind zu groß, als daß du damit herumspielen solltest. Schon schlimm genug, daß es manchmal spontan passiert.«
Ich wandte den Kopf ab, um aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft zu sehen, und antwortete ihm nicht, worauf Tom in vorsichtigem Tonfall fortfuhr.
»Julia? Ich möchte, daß du mir versprichst, so etwas nicht wieder zu versuchen, bis wir ein bißchen mehr über die Dinge wissen, die da geschehen. Wirst du mir das versprechen?«
Jenseits der regendurchweichten, kleinen Anhöhen von Wexley Chase erhob sich ein Vogelschwarm in einer flügelschlagenden, schnell ziehenden Wolke und flog dann in enger Formation einen Kreis über die regenverschleierten grünen Felder. Ich drehte mich vom Fenster weg und lächelte meinen Bruder zuckersüß an.
»Ja, Tom, natürlich«, sagte ich. »Ich verspreche es.«
Kapitel siebzehn
»Ich finde deinen Bruder großartig«, kommentierte Vivien. »Er ist gar nicht wie ein richtiger Pfarrer.«
Es war halb zehn Uhr morgens am folgenden Samstag, und ich wollte den strahlenden Sonnenschein und die milde Temperatur ausnutzen und versuchen, auf meine amateurhafte Weise den Taubenschlaggarten hinter meinem Haus von Unkraut zu befreien, während Vivien auf den Ruinen der Steinmauer hockte, Tee aus einer
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