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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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sondern sie auch zu verhindern. Im Moment jedenfalls hatte ich die Kontrolle, und das war ein beflügelndes Gefühl.
    Nicht weniger beflügelnd, dachte ich, als die Vorstellung, den Rest des Tages in der Gesellschaft eines gutaussehenden jungen Mannes zu verbringen und im Sonnenschein eines strahlenden englischen Frühlingsnachmittags zu baden. Oben angekommen legte ich den Schlüssel sorgfältig auf meinen Schlafzimmertoilettentisch und lächelte in den Spiegel.
    Kurze Zeit später, nachdem ich gebadet und frische Sachen angezogen hatte, die zu Geoffs lässiger Kleidung paßten, fand ich mich auf dem säuberlich gemähten Rasen einer ausladenden viktorianischen Villa nördlich von Calne wieder, mitten in dem fröhlichen Trubel und Geschrei einer echten Nachlaßauktion auf dem Lande.
    Schwere Schränke und Kommoden und elegante Anrichten waren entlang der Kiesauffahrt aufgestellt wie Truppen zur Musterung. Zahllose kleinere Gegenstände bedeckten auf Böcken ruhende Tischplatten und diverse Truhen oder quollen aus Kisten, die aus Platzmangel unter die Tische gezwängt worden waren. Ich begleitete Geoff durch das verwirrend vielfältige Angebot, hielt hier und da an, um eine Kaminsimsuhr oder eine Spieldose zu begutachten oder über ein besonders ansprechendes Möbelstück aus indischem Satinholz zu streichen.
    Mein Vater hatte solche Versteigerungen immer geliebt. Schon als ich noch sehr klein war, hatte er mich oft mitgenommen und mir beigebracht, die Qualität eines alten Stuhls zu erkennen oder einen Antiquitätenhändler unter der Menge des normalen Landvolks ausfindig zu machen. Ich weiß noch, wie ich einmal die kleine Figur eines Jagdhundes erspäht hatte, die ich unbedingt haben wollte. Sie war nichts Besonderes, einfach eine mit Kunststoffarbe angemalte Gipsfigur, ein billiges viktorianisches Stück – aber ich wollte sie. Ich muß damals ungefähr sieben Jahre alt gewesen sein.
    Ich hielt Wache bei meinem Schatz, bis sich der Auktionator zu ihm durchgearbeitet hatte und jeder in der Menge wußte, worauf ich meinen Anspruch angemeldet hatte. Das Eröffnungsgebot – von fünfzig Pence – kam von mir, und ich war so begierig und entschlossen, daß ich, als der Auktionator fragte, ob jemand fünfundsiebzig böte, meine Hand in die Höhe schnellen ließ und mich zur ersten Person in unserer Grafschaft machte, die sich bei einer Versteigerung selbst überbot. Wäre der Auktionator ein weniger ehrenhafter Mann gewesen, hätte er mich wahrscheinlich bis auf zwei Pfund hinauftreiben können, denn das war der Betrag, den ich in der Tasche hatte, aber statt dessen lachte er nur und gab mir das kitschige Stück für mein ursprüngliches Gebot von fünfzig Pence.
    Später beugte er sich zu mir herunter und warnte mich, niemals andere wissen zu lassen, wie sehr ich etwas besitzen wollte. »Du bist noch jung, mein Kind«, hatte er gesagt, »und die Chancen stehen gut, daß niemand gegen dich bieten wird. Aber wenn du älter wirst, kann es dich teuer zu stehen kommen.«
    Ich hatte schon lange vergessen, was mit dem Gipsjagdhund passiert war, aber den Rat des Auktionators hatte ich nie vergessen. Auch jetzt erinnerte ich mich an ihn, als ich an einer Kiste voller Bücher vorbeiging und eines, das wie eine Erstausgabe von J. R. R. Tolkiens Hobbit aussah, mich aus einem Haufen von billigen, gebundenen Krimis heraus anblinzelte. Gleichmütig – oh so gleichmütig –, ohne eine Miene zu verziehen, schlug ich ein paar der Bücher in der Kiste auf und blätterte nachlässig durch die vergilbten Seiten.
    »All das gehörte nur einem einzigen Mann, sagtest du?« fragte ich Geoff, wobei ich mich um einen normalen Tonfall bemühte.
    »Genau. Lord Ashburn. Er ist vergangenen Monat gestorben, glaube ich. Der alte Knabe war immerhin über neunzig. Ich habe ihn jahrelang nicht gesehen, aber er hat mit meinem Vater immer Golf gespielt, als ich noch ein Kind war.«
    Ich schlug das Tolkienbuch auf und sah nach dem Erscheinungsjahr, dann wandte ich mich der hinteren Klappe des Schutzumschlags zu und las die Inhaltsangabe, wobei meine Aufregung wuchs, als ich einen Rechtschreibfehler entdeckte, der später mit der Hand korrigiert worden war, ein weiteres Detail das das Buch als Erstausgabe auswies. Ich schloß das Buch und sah Geoff lächelnd an.
    »Lord Ashbury hatte jedenfalls einen vielfältigen, aber ausgesuchten Geschmack«, bemerkte ich.
    »Und tonnenweise Geld dazu«, antwortete er nickend. »Er war schon so eine Art

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