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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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Kekse auf.«
    Vivien lachte. »Das glaub ich euch aufs Wort.«
    Die Tür schloß sich hinter ihr, während die Frau mir gegenüber ihre Teetasse zum Mund hob und plötzlich nachdenklich blickte, als sie mich über den Tassenrand hinweg beobachtete.
    »Du siehst sehr müde aus«, sagte sie unerwarteterweise. »War das alles ein bißchen viel für dich?«
    Ich zögerte einen Augenblick mit der Antwort, weil ich nicht wußte, wie ich die Frage deuten sollte, und mit einer eigenen Frage zu kämpfen hatte. Ich sah sie unsicher an, und sie lächelte und setzte ihre Teetasse auf dem Unterteller ab.
    »Du möchtest wissen, ob ich Bescheid weiß, und wenn ja, was ich weiß und woher ich es weiß«, sagte sie ruhig, »aber du fürchtest, daß ich dich für verrückt halten könnte, wenn du zuerst davon sprichst. Deshalb werde ich dir die Mühe ersparen. Ja, ich weiß Bescheid. Ich weiß, was mit dir geschieht, seit du hierher gezogen bist. Ich habe mir sogar ziemliche Sorgen um dich gemacht«, gestand sie mir offen. »Deshalb habe ich Vivien veranlaßt, dich zu mir zu bringen. Ich wollte mich selbst davon überzeugen, wie du vorankommst.«
    Nach dieser bemerkenswerten Rede nahm sie erneut ihre Teetasse auf und wartete auf meine Antwort. Sie mußte nicht lange warten. Ich hatte kerzengerade auf meinem Stuhl gesessen und sie angestarrt, aber jetzt blinzelte ich ihr zu und lächelte mit erhobenen Augenbrauen.
    »Man hat mir ja erzählt, daß Sie eine Hexe sind.«
    Sie lachte, widersprach jedoch nicht. Sie schenkte mir eine frische Tasse Tee ein und lehnte sich zurück, wobei sie erwartungsvoll ihre Arme verschränkte. »Du hast Fragen.«
    »Dutzende«, gestand ich. »Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich auch die Antworten wissen will.«
    Sie nickte nur einmal, aber mit Nachdruck. »Das ist auch gut so. Du hast eine Art Reise begonnen, Julia, und niemand kann dir den Weg zeigen. Du mußt die Richtung selbst herausfinden.«
    »Aber Sie könnten mir doch sicher …«
    »Ich könnte dir bestimmte Dinge erzählen, ja. Aber meine Einmischung könnte dich mehr behindern als dir von Nutzen sein.«
    »Oh.« Ich war enttäuscht, und sie lächelte über meinen Gesichtsausdruck.
    »Sieh nicht so niedergeschlagen drein, Kind«, sagte sie. »Du bist schon recht weit ohne mich gekommen, und du hast dich sehr gut gehalten. Du weißt etwas über Mariana, und du hast eine Realität akzeptiert, die die meisten Menschen nicht akzeptieren könnten oder wollten. Und das Wichtigste ist, daß du beginnst zu begreifen, daß du mehr Kontrolle über die Situation hast, als du zuerst glaubtest, vermute ich richtig?«
    Ich nickte.
    »Na, also«, erwiderte sie und breitete die Hände in einer vielsagenden Geste aus. »Mir scheint, daß du sehr gut allein zurechtkommst. Du mußt Geduld haben, Julia, und dem Entwicklungsprozeß vertrauen. Du wirst deine Antworten schon bald bekommen, und zwar ganz ohne meine Hilfe.«
    »Ich habe vergangene Woche etwas gekauft«, sagte ich und fuhr mit dem Finger den Rand meiner Tasse entlang. »Eine Art Tischchen.«
    »Das Schoßpult. Ja.«
    Ich hob den Kopf. »Der Buchstabe ›H‹ ist in den Deckel eingeschnitzt.«
    Sie legte den Kopf schräg, vogelgleich, und betrachtete mich eingehend. »Das ›H‹ steht natürlich für Howard. Das wußtest du doch, oder?«
    »Ja. Aber …«
    »Aber welcher Howard? Nun, ich denke, ich kann keinen Schaden anrichten, wenn ich dir das verrate.« Ihr Blick schweifte ab. »Es gehörte John Howard.«
    »lohn?« Ich wälzte den Namen in meinem Kopf herum. »John? Carolines Baby John?« Ich dachte an den winzigen, rotgesichtigen Säugling und dann an das stumpf gewordene Armband, das sorgfältig im Geheimfach des Pults verstaut gewesen war. »Aber wie ist er denn …?«
    Sie unterbrach mich mit einem Kopfschütteln. »Das mußt du selbst herausfinden«, sagte sie. »Und das wirst du auch. Möchtest du noch einen Keks?«
    Sie reichte mir den Teller, ich nahm eine Schokoladenwaffel und fühlte mich etwas benommen. Es ist ziemlich merkwürdig, dachte ich, hier in dieser völlig normalen, gemütlichen Küche zu sitzen und mit einer Hexe über Reinkarnation zu sprechen. In dieser gewöhnlichen, einfachen, alltäglichen Umgebung wirkte unser Gespräch seltsam unwirklich, so als würden Leute auf einer Beerdigung über Stoffmuster sprechen. Aber hier war ich, kaute ungerührt meine Waffel und saß keinen Meter von einer Frau entfernt, die meine Gedanken genauso leicht lesen konnte wie ich eine

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