Mariana: Roman (German Edition)
Wirklichkeit. Iain erwies sich sogar als recht guter Lehrer. Mit gewissenhafter Gründlichkeit benannte er jede Blume und Pflanze des Gartens und wies auf die unscheinbaren Schößlinge, die erst im Spätsommer richtig erblühen würden. Er erklärte mir, was getan werden mußte, und zeigte mir, wie man es macht, und als wir fertig waren, traute ich mir immerhin zu, den Garten zu jäten, ohne ihn zu zerstören.
»Du wirst schon dahinterkommen«, versprach er. »Es braucht nur ein wenig Übung.«
»Bist du sicher, daß es dir recht ist?« Ich zog skeptisch die Stirn in Falten, woraufhin er mich ungerührt ansah.
»Vertraust du mir nicht?«
»Na ja, Vivien und Geoff schienen zu glauben, daß ich mich geradezu in Todesgefahr begebe …«
Er grinste und knipste eine welke Blüte von einem Irisstengel ab. »Es ist mir recht«, sagte er: »Außerdem wird es dir guttun, hin und wieder hier herauszukommen. Es hält einen gesund, das Gärtnern.« Er sah auf seine Armbanduhr, richtete sich auf und streckte sich. »Gut, ich lasse dich dann alleine weitermachen. Höchste Zeit, daß ich nach Hause komme.«
Ich selbst hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber die Sonne stand tief am Himmel, es mußte fast sieben Uhr sein. Ich richtete mich mit ihm auf.
»Danke«, sagte ich. Ich dankte ihm im Grunde für mehrere Dinge. Dafür, daß er nicht wütend auf mich war, daß er meine Gemütslage verstand, daß er so verdammt nett war …
Er zuckte nur die Achseln und lächelte.
»Keine Ursache.«
Mit großen Schritten ging er über das Feld davon, während ich mich umwandte, um die untergehende Sonne zu betrachten, meinen Rücken gegen die warme, zerfallene Steinmauer lehnte und träumerisch halb die Augen schloß. Es war ein perfekter, märchenhafter Sonnenuntergang, goldrot leuchtend, mit Wattebauschwölkchen, deren vergoldete Ränder ihnen ein beinahe künstliches Aussehen verliehen, als entstammten sie einer meiner Illustrationen. Alles, was fehlte, um das Bild zu vervollständigen, war der Reiter unter der Eiche, ein romantischer, dunkler Ritter auf seinem edlen Roß, der die fernen Hügel nach Drachen absuchte. Ich drehte den Kopf, um mit beinahe hoffnungsvollen Augen nach der Senke zu blicken, aber es war nichts zu sehen.
Über der Eiche kreiste träge ein Falke in ziellosen Runden, und sein Ruf war ein einsamer Schrei.
Die Tage vergingen schnell und ereignislos, und ich widmete mich meinen Illustrationen mit einem Eifer, der meinem Wesen völlig fremd war. Ich zögerte damit andere Geschehnisse hinaus und wußte das auch. Merkwürdigerweise hatte die Erfahrung, daß ich die Macht hatte, mich aus eigenem Willen in das siebzehnte Jahrhundert zu transportieren, dazu geführt, daß ich zögerte, es zu tun. Die ganze Woche über, während ich skizzierte, zeichnete und malte und mit meiner normalen Tagesroutine weitermachte, hoffte ich wohl, daß einfach etwas passieren würde, auf nette, spontane Art, so daß ich nicht bewußt und direkt für die möglichen Folgen verantwortlich war.
Aber natürlich passierte nichts, außer daß ich am Ende der Woche rundum von Aquarellen in den verschiedenen Stadien des Trocknungsprozesses umgeben war, was mir immerhin – wenn schon sonst nichts geschah – das Gefühl gab, unglaublich produktiv zu sein. Am Freitag rief Geoff an, um mir mitzuteilen, daß seine Woche im Norden sich auf zwei Wochen ausdehnen würde – ob es mir etwas ausmache, noch ein wenig länger auf das versprochene Essen zu warten? Natürlich nicht, antwortete ich.
Um ganz ehrlich zu sein, war ein Abendessen in diesem Moment das letzte, woran ich dachte. Die Vertiefung in meine Arbeit machte mich wie gewöhnlich ungesellig. Mehrere Tage hintereinander arbeitete und schlief ich und sah niemanden, aß Dosenmahlzeiten und kroch erst am frühen Morgen ins Bett. Als Vivien mich am darauffolgenden Dienstag kurz vor Mittag anrief, konnte sie nicht umhin, einen Kommentar über den rostigen Klang meiner Stimme abzugeben. Meine Erklärung – daß ich drei Tagelang mit keinem Menschen gesprochen hatte – machte sie nur noch neugieriger.
»Sprichst du noch nicht einmal mit dir selbst?« wollte sie wissen.
»Nein«, grinste ich in den Hörer. »Ich habe eine Kusine, die das tut, und möchte lieber nicht mit ihr in einen Topf geworfen werden, vielen Dank.«
»Verstehe. Aber hättest du nicht Lust, heute nachmittag ein wenig herauszukommen? Oder strömt gerade der kreative Strom?«
»Oh, ich bin sicher, daß ich mich
Weitere Kostenlose Bücher