Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
Vom Netzwerk:
ich ein leichtes Schuldgefühl beiseite wischte, das auf einmal an meinem Gewissen nagte. Mein Onkel würde nie davon erfahren, sagte ich mir, und selbst wenn, was wäre schon dabei? Schließlich hatte ich Richard de Mornay nicht um seine Begleitung gebeten, und man konnte den Gutsherrn ja nicht einfach fortschicken wie einen einfachen Bauernlümmel. Die Tatsache, daß ich ihn nicht unbedingt fortschicken wollte, tat meiner Meinung nach dabei nichts zur Sache.
    Er ließ sich zu meinen Füßen nieder, den Rücken gegen die grobe Rinde des Baumstamms gelehnt und ein bestiefeltes Bein angewinkelt, um seinen ausgestreckten Arm darauf zu legen. Mit müßigem Blick sah er dem grauen Pferd beim Trinken zu.
    »Ihr sagtet, Ihr wäret der Letzte Eurer Familie«, nahm ich den Faden wieder auf, in dem Versuch, Konversation zu machen. »Habt Ihr keine Brüder?«
    »Ich habe fünf Brüder«, sagte er, »aber sie liegen alle im Grab. Sie starben im Dienst des ersten Karl.«
    Ich senkte betreten den Kopf. »Euer Vater hielt also zum König und stellte sich gegen das Parlament.«
    »Ja.« Es klang bitter. »Und für ihre Mühe haben sie ihr Leben verloren, ihre Ländereien und alles, was sie besaßen und je liebten.«
    »Ihr seid nicht gestorben«, bemerkte ich.
    »Nein, ich bin nicht gestorben.« Er bewegte seine Schultern gegen den Stamm und schenkte mir ein halbes Lächeln. »Der Jüngste von uns war achtzehn Jahre alt und frisch verheiratet, als er fiel. Dann wurde der König getötet. Ich war selbst gerade erst zwanzig und floh nach der Hinrichtung nach Frankreich zu der Familie meiner Mutter an den Hof des französischen Königs. Ich hatte keinen Willen mehr zu kämpfen, und da mein Vater im Tower war, konnte ich ihm in England kaum von Nutzen sein.«
    Ich sah ihn entsetzt an. »Euer Vater war im Tower?«
    »Er wurde bei der Verteidigung von Exeter gefangengenommen, im Jahre sechsundvierzig. Vierzehn Jahre lang hielten sie ihn in den Mauern des Verlieses fest, ohne einen rechtmäßigen Prozeß. Er wurde alt an diesem schrecklichen Ort. Er erlebte seine Freilassung noch und die Rückerstattung seiner Ländereien, aber nicht meine Rückkehr aus Frankreich.« Er rupfte einen Grashalm aus und zog ihn durch seine Finger, ein Schatten des alten Schmerzes überzog seine gleichmütigen Züge.
    »Das tut mir leid.« Ich lehnte mich ein wenig nach vorn vor Mitgefühl. »Ich weiß, wie es ist, den Vater zu verlieren. Ihr habt also niemanden mehr?«
    »Nicht ganz. Ich habe einen Neffen, Arthur. Er ist der Sohn meines jüngeren Bruders und lebt in Holland bei seiner Mutter. Er ist fünfzehn und schon ein eitler Galan, aber er ist dennoch mein Neffe. Und ich habe Evan. Das ist mir genug Familie.«
    Evan Gilroy, erzählte er, war schon in den alten Tagen ein Freund gewesen, bevor die Feuer des Krieges das Land verwüsteten und seinem Herrscher den Tod brachten. Als Richard de Mornay vor fünf Jahren Karl Stuart zurück nach England gefolgt war, hatte Evan Gilroy dem neuen Herrn von Crofton Hall seine Dienste angeboten und die Aufsicht über die Ställe und die Pachthöfe übernommen.
    Der Mann zu meinen Füßen lächelte bei der Erinnerung. »Es ist kein schöner Empfang für einen Mann, in ein leeres Haus und zu brachliegendem Land zurückzukommen«, sagte er. »Ich bezweifle, daß ich geblieben wäre, wenn ich Evan nicht gehabt hätte.«
    Schweigend erkannte ich an, daß ich in Evan Gilroys Schuld stand. Ich fühlte mich trotz meiner nassen Kleider sehr wohl, wie ich dort in dem schattengesprenkelten Sonnenlicht der kleinen Lichtung saß und mich mit einem Mann unterhielt, der gesellschaftlich mehrere Stufen über mir stand. Mein Vater hätte diesen Mann gemocht, dachte ich, auch wenn Onkel Jabez gegen ihn war.
    Ich lehnte mich zurück und verschränkte meine Hände um die Knie. »Seid Ihr demnach dem König begegnet?«
    »Offiziell? Nur einmal.« Er sah mich über die Schulter hinweg an. »Aber ich habe ihn recht oft gesehen und sogar ein- oder zweimal mit ihm gejagt. Am französischen Hof, während seines Exils, ließ er sich oft blicken.«
    »Ich selbst habe ihn nur einmal gesehen. Bei der Krönung.«
    Er hatte damals großen Eindruck auf mich gemacht, wie ich mich erinnerte, mit seiner edlen und kraftvollen Gestalt, seinem langen, lockigen Haar, dem sinnlichen Mund und den schwerlidrigen, dunklen Augen. »Er schien mir ein gütiger Mann zu sein«, bemerkte ich.
    »Er ist wohl gütig«, stimmte Richard de Mornay zu, »und gerechter als

Weitere Kostenlose Bücher