Mariana: Roman (German Edition)
schlürfenden Geräuschen, und setzte den Becher dann zufrieden auf den Tisch. Seine harten, funkelnden Augen richteten sich auf mich.
»Du siehst müde aus, Mariana.«
Caroline bewegte sich in ihrer Ecke beim Kamin. »Sie hat nicht wohl geschlafen, Jabez. Es ist keine große Sache.«
Seine Augen zogen sich zusammen. »Sie hat zuwenig Bewegung. Ein Spaziergang in frischer Luft wird ihre Beschwerden vertreiben.« Er sprach zu mir in fast freundlichem Ton. »Wenn deine Arbeit hier beendet ist, kannst du den Rest des Morgens außer Haus verbringen. Geh unten am Fluß spazieren, dort wird es kühler sein.«
Ich versuchte, meine Überraschung über seine Worte zu verbergen. Es schien eine so seltsame und unwahrscheinliche Wendung zu sein, daß dieser Mann, der mich selten aus seinem Blick ließ, von sich aus vorschlug, ich solle einige Zeit außer Haus verbringen, daß ich es kaum glauben konnte. Selbst Caroline hob erstaunt die Augenbrauen, war aber weise genug, nichts zu sagen.
Onkel Jabez wandte sich an Rachel. »Es werden Gäste zu Mittag kommen«, teilte er ihr mit. »Außer mir noch vier andere. Ich will eine Taubenpastete zum Mahl, mit nicht weniger als zwei Tauben für jeden, und einen Krug von dem guten Apfelwein aus dem Keller. Mariana kann die Vögel holen, bevor sie geht.«
Ich gab einen kleinen Protestlaut von mir und sah entsetzt drein, aber Rachel blickte von ihrem Suppenkessel auf. »Ich werde die Vögel schon selbst holen«, antwortete sie ihm. »Mariana ist zu weichherzig. Sie bringt es nicht über sich, ihnen die Hälse umzudrehen.«
Der Onkel zuckte mit den Achseln. »Mir ist es egal, wer die erbärmlichen Biester schlachtet, solange sie rechtzeitig auf meinem Tisch stehen.« Er warf seiner Frau einen kurzen Blick zu. »Ich vertraue darauf, daß du das Kind still hältst. Ich wünsche nicht, daß ein schreiendes Balg meinen Gästen den Appetit verdirbt.«
Caroline murmelte eine. Antwort, den Kopf unterwürfig gebeugt. Ich wußte, daß seine unfreundliche Bemerkung sie tief verletzt hatte. Rachel hatte mir erzählt, wie sehr sich ihre Schwester nach einem Kind gesehnt hatte, wie unglücklich sie in all den Jahren der Unfruchtbarkeit gewesen war und wie groß ihre Freude war, als sie endlich dem kleinen John das Leben geschenkt hatte. Daß Jabez ihren Stolz auf das Kind nicht teilte, war eine ständige Quelle des Kummers für sie.
»Johnnie ist ein gutes Kind«, hörte ich mich selbst sagen. »Ich bezweifle, daß er irgend jemanden stören würde.«
Mein Onkel ließ seine kalten blauen Augen erneut auf meinem Gesicht verweilen. »Du kannst gehen, wenn du fertig bist«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Und sorg dafür, daß du ausreichend spazierengehst. Ich will dich vor dem Nachmittag hier nicht wieder sehen.«
Er drehte sich unvermittelt um und verließ die Küche, und Caroline folgte ihm wie ein schwacher Schatten auf den Fersen. Rachel sah mich mit erstaunten Augen an und tadelte mich sanft: »Du hättest nicht so zu ihm sprechen sollen. Es hat keinen Zweck, sich für meine Schwester einzusetzen, Mariana. Sie geht wie ein Lamm zur Schlachtbank.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Aber ich konnte die Worte einfach nicht zurückhalten.«
»Nun«, Rachel durchquerte den Raum und stellte sich neben den Tisch, »es ist ja kein großer Schaden angerichtet. Und du wirst einen ganzen Vormittag für dich haben, wie es scheint, um dein Mütchen zu kühlen. Das ist bestimmt eine angenehme Aussicht für dich.«
Ich freute mich tatsächlich darauf, ein paar Stunden im Freien zu verbringen, aber meine Freude war getrübt. Mein Onkel wollte mich nicht im Haus haben, wenn seine Besucher kamen, so viel war klar, und ich hatte große Mühe, meine Neugier zu bezähmen.
»Rachel«, fragte ich beiläufig, »wer sind diese Gäste, von denen Onkel gesprochen hat? Kennst du sie?«
Ich hatte schon bemerkt, daß Rachel nicht leicht lügen konnte. Wenn sie keine wahrheitsgemäße Antwort geben konnte, versuchte sie immer, der Frage auszuweichen. Das versuchte sie auch jetzt und senkte den Kopf dabei, so daß der Vorhang ihres blonden Haares ihr Gesicht verbarg. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht und Vorsicht.
»Manchmal ist es besser«, riet sie mir, »die Augen zu bedecken und die Ohren zu verstopfen, als Fragen zu stellen.«
Ich wußte, daß sie nichts weiter darüber sagen würde, deshalb ließ ich das Thema fallen, trug meine Schüssel mit Gemüse hinüber zum Kamin und leerte sie in den kochenden Kessel.
»Soll
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