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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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durch. Das habe ich ihm auch gesagt. Und diese Französin! Die schnattert ohne Punkt und Komma. Ich hab kein Wort verstanden. Ihre Mutter und sie, das geht Schlag auf Schlag, oui, oui, oui, oh lala. Neulich abend hab ich erst gesagt, es geht nichts über Englisch, hab ich gesagt. Nicht daß ich was gegen Miß Rowbow hätte. Sie ist sauber und ordentlich und red’ höflich mit einem, aber ich hab eben noch nie was mit ausländischen Damen und Herren zu tun gehabt.» Sie zog die Mundwinkel herab.
    «Schon gut, Mabel», sagte Mary, die im Eckschrank umsonst nach etwas Trinkbarem gesucht hatte. «Ist kein Gin da oder so was? Ich bin schrecklich müde, ich brauche einen Schluck zu trinken.»
    «Diese Woche gibt’s keinen Gin mehr, hat sie gesagt. Neulich ist sie doch zu mir in die Küche gekommen und hat das Buch vom Kolonialwarenhändler kontrolliert. hat sie gefragt. Na, da hab ich ihr aber Bescheid gesagt. Einen Tag soli’s Rhabarberkompott geben und am nächsten Brombeeren, und die junge französische Dame ißt jeden Morgen Haferflocken zum Frühstück, dann ist es doch kein Wunder, daß er mir wie Sand durch die Finger rinnt. Dann hat sie was von Eiern gesagt und daß ich keine für die Pasteten nehmen soll, und da hab ich mich natürlich mächtig aufgeregt, denn wie soll der Teig denn binden? Und Sie wissen ja, Miß Mary, auf meine Pasteten bilde ich mir was ein. Ich hab die richtige Hand dafür, sag ich immer.» Sie betrachtete voller Befriedigung ihre roten, verarbeiteten Hände. Mary war beunruhigt. Was mochte davon wohl wahr sein, und was hatte die alte Schlampe erfunden?
    «Und sie hat gesagt, keinen Gin mehr?» fragte sie vorsichtig, um Mabels Schleusen nicht durch allzu großes Interesse noch weiter zu öffnen.
    «Ich darf nicht mehr als eine Flasche im Monat bestellen. Wie ich dem Boten von dem Geschäft ins Auge sehen soll, weiß ich nicht. Wir haben immer eine lange Liste mit Bestellungen gehabt, und jetzt sagt sie, dies nicht und das nicht —»
    «Ist denn auch kein Sherry da?» unterbrach Mary sie. Sie hatte genug gehört.
    «Ach ja, richtig, davon hab ich noch ‘ne Flasche unten. Sie hätte keinen Appetit drauf, und er hat gesagt, bevor er billigen Sherry trinkt, nimmt er lieber Gift. Ich geh mal eben runter und hol sie Ihnen rauf», sagte sie mit deutlichem Hinweis auf die Treppe. «Es sind ja nur meine Beine», fügte sie mit gespielter Gleichgültigkeit hinzu. «Ich könnte manchmal heulen vor Schmerzen, wahrhaftig, das könnt ich.»
    «Das tut mir wirklich leid», sagte Mary, beschämt, daß sie nach fünf Minuten in Mabels Gesellschaft immer entweder total erschöpft oder einem Schreikrampf nahe war.
    «Ich geh runter und hole mir den Sherry selbst, machen Sie sich keine Mühe.» Sie ging die Küchentreppe hinunter, und Mabel humpelte hinter ihr her. Als sie mit der Flasche in der einen und dem Korkenzieher in der anderen Hand wieder hinaufkam, hörte sie den Schlüssel in der Haustür schließen.
    Als ihre Mutter hereinkam, rannte Mary durch die kleine Diele auf sie zu, schloß sie in ihre Arme und ließ die Sherryflasche auf ihrer Rückseite auf- und abwippen. «Mein Liebling, mein Hase.» Mrs. Shannon ließ ihre Pakete, Handtasche und Hausschlüssel fallen, und sie umarmten sich zärtlich. Mary hatte vergessen, wie klein und zart ihre Mutter war. Man hielt gar nichts im Arm. Hatte Mabel doch recht? War sie noch weniger geworden? Sie stellte erschrocken fest, daß ihre Mutter ein anderes Parfüm benutzte, nicht mehr das feine, teure , dessen Geruch seit so langer Zeit zu ihr gehörte.
    «Mary, du bist ja dünner als du je warst», sagte ihre Mutter, schob sie ein Stückchen von sich fort und betrachtete sie von oben bis unten.
    «Wurde auch Zeit. Ich bekomme endlich eine Figur, Gott sei Dank! Gefällt dir mein Kleid? Hab ich selbstgemacht.» Sie drehte sich im Kreis, um es vorzuführen, und dann fing sie an, von Paris zu erzählen und von der Schule, wobei sie ihre Mutter mit versteckter Sorge betrachtete.
    Sie sah müde und angestrengt aus. Sie war ebenso lebhaft wie sonst, aber es war eine nervöse Lebendigkeit, ruhelos ging sie hin und her, hielt ihre Hände keinen Moment still, nahm das Glas Sherry hoch, das Mary ihr eingegossen hatte, und stellte es unberührt wieder zurück. Trotz ihres sorgfältigen Make-ups zeigten sich kleine Fältchen in ihrem

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