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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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pfeifend über den Rasen kamen, ein kleiner verspielter weißer Hund folgte ihnen auf den Fersen. Das Bild, das die beiden abgaben, prägte sich Mary mit großer Eindringlichkeit ein. Sie wußte, daß Pierre nie so aussehen würde. Diese jungen Leute paßten in das Bild des Gartens, sie gehörten genauso hinein wie das Gras, die Rosen oder die bunten Blumen an den Wegeinfassungen. Pierre würde in einem Garten stets Fremdkörper sein, ohne wirkliche Beziehung zur Natur, während die beiden anderen ein Teil von ihr waren.
    Denys und Martin schlenderten heran, um Pierre zu begrüßen. Denys war so braun wie ein Eingeborener, seine nackten Beine waren zerkratzt und seine Knie zerschunden, wie in alten Zeiten in Charbury. Als sie sich die Hand schüttelten, war der Kontrast zwischen ihm und Pierre in seinen spitzen Schuhen so groß, daß Mary sie am liebsten gar nicht angesehen hätte. Das durfte nicht sein. So durfte sie nicht denken. Sie sagte sich, daß es nur die alten Bande zu Denys waren, die sie irritierten.
    «Bier her, Bier», sang Onkel Guy, und Mavis, die aus der großen Flügeltür des Eßzimmers trat, zuckte zusammen.
    «Das Essen ist fertig, Kinder, das Essen ist fertig», rief sie. Mit erhobener Stimme lockte sie wie eine Glucke, als ob es sich bei dem kalten Imbiß um ein Soufflé handelte. Sie war eine anstrengende Gastgeberin. Irgend jemand holte Tante Winifred aus dem Küchengarten, wo sie glücklich und zufrieden das Gemüse inspizierte, und zusammen marschierten sie in das plötzliche Halbdunkel des kühlen, holzgetäfelten Raumes.
    Beim Mittagessen erwies sich Pierre durchaus als angenehmer Gesellschafter. Er war reizend zu Tante Mavis und schmeichelte ihr in einer Weise, wie es kein Mann mehr getan hatte, seit Onkel Guy das Pech hatte, sich in ihr hübsches Äußeres zu verlieben, als sie 1903 auf der Eisbahn in St. Moritz ihre eleganten Kreise zog. Tante Grace erfreute er, indem er sagte, was sie gern hören wollte und ihrem neunjährigen Sohn John, den seine männlichen Verwandten wie Luft zu behandeln pflegten, allerhand Kunststücke mit seinem Serviettenring zeigte.
    Denys saß neben Mary. «Du siehst phantastisch aus», sagte er plötzlich, und sie war erbost, daß ihr das Herz bis zum Halse schlug. «Muß wohl die Liebe sein», fuhr er fort, «damit muß ich’s auch mal probieren.»
    «Sag mal, Denys, gefällt er dir?» fragte sie begierig.
    «Wer? Dein Zukünftiger? Macht sich doch gut hier», sagte er und grinste Pierre über den Tisch hinweg an, aber sie wußte, daß er log.
    Pierre machte sich nicht gut in der ländlichen Umgebung.
    Nach dem Essen gingen die Damen in den Garten, um Kaffee zu trinken, während die Herren bei ihrem Cognac blieben, auch Pierre, der die älteren von ihnen bei jedem dritten Wort mit «Sir» anredete. Mary hoffte, daß er gut mit ihnen zurechtkäme. Er war immer in seiner besten Form, wenn auch Damen dabei waren, weil er dann seine Meisterschaft in einer Kunst unter Beweis stellen konnte, von deren Existenz die meisten englischen Männer keine Ahnung hatten, der Kunst, mit Frauen umzugehen.
    Mary hockte sich ins Gras und kaute auf einem Kleeblatt. Es schien lange her zu sein, daß sie auf dem Lande gewesen war. Auf den Ellenbogen gestützt, genoß sie die Sommerhitze, die über dem von Duft erfüllten Garten lag und den jubilierenden Gesang einer Lerche hoch über ihr, die sich vor Freude über den blauen Himmel das Herz aus dem Leibe trällerte. Sie fragte sich, wie schon so oft, warum überhaupt irgend jemand in Städten lebte. Ihre Kusine Julia, die so altklug und unausstehlich war, wie man nur mit dreizehn sein konnte, tauchte auf und kitzelte sie mit einem Grashalm an der Nase.
    «Ich hab deinen Onkel Geoffrey hier im Kino gesehen», teilte sie ihr mit, «lieber Himmel, war das ein lausiger Film. Und er war entsetzlich albern. Ich hab nicht herausbekommen, ob das komisch sein sollte oder nicht.»
    «Was du nicht sagst», murmelte Mary bissig.
    «Seine Partnerin war auch miserabel. Ich geh übrigens später auch zum Film. Ich wette, daß ich besser bin als die. Ich wette mit dir, um was du willst. Um was wetten wir?»
    «Verschwinde», sagte Mary und rollte sich herum, «ich will schlafen.» Das Gras roch so würzig. Julia gab ihr einen Klaps hinten drauf.
    «Du hast Grasflecke in deinem Kleid», verkündete sie frohlockend.
    «Wenn schon», knurrte Mary.
    «Julia», rief Tante Mavis, «geh rein und hol die Schokolade, die auf dem runden Tisch im

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