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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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sterben, wenn ich nicht in Paris leben könnte. Die Stadt steckt mir im Blut, sie ist ein Teil von mir. Der gleiche Geist, ein Bestandteil der Luft — ich weiß nicht, was es ist — erweckt uns überhaupt erst zum Leben. London ist so — wie sagt man? — stupefié.»
    «Ich liebe es», sagte Mary mit kleiner trotziger Stimme.
    «Natürlich, du kannst ja auch herkommen und deine Familie besuchen, sooft du willst.»
    «Ja, natürlich», sagte Mary und verstummte wieder. Sie hatte die ganze Zeit über gewußt, daß er das sagen würde. Deshalb hatte sie die Frage immer wieder hinausgeschoben.
    «Pierre», sagte sie, als sie vom Great West Road abbogen und in einer Wolke von Benzindunst hinter einer Schlange von Autos, die von ihrem Feiertagsausflug zurückkamen, herschlichen: «Wäre es sehr schlimm, wenn ich heute abend nicht mit dir ausgehe? Ich hab scheußliche Kopfschmerzen, und ich bin so müde. Die Familie war wohl doch ein bißchen zu viel für mich.» Im ersten Augenblick protestierte er, aber dann war er voller Teilnahme und überhäufte sie mit Zärtlichkeit und Mitgefühl, so daß sie sich ganz schäbig vorkam, weil sie weder Kopfschmerzen hatte noch müde war. Nein, sie war nicht körperlich müde, aber seelisch war sie erschöpft. Sie mußte allein sein, wenigstens einen Abend lang. Sie hatte den Wunsch, sich wie ein krankes Tier vor allen Menschen zu verkriechen. Sie wollte ins Bett gehen und weinen. Sie hungerte förmlich danach, allein zu sein.
    Sie konnte an nichts anderes mehr denken, bis sie zu Hause angelangt waren. Nachdem sie Pierre Adieu gesagt hatte, ging sie hinauf in ihr Zimmer, verschloß die Tür, zog sich hastig aus und kroch ins Bett. Sie lag, nur das Bettuch über sich, zusammengerollt wie eine Kugel, mit weitgeöffneten Augen, aus denen keine Tränen flössen, obwohl ihr Kummer bleischwer auf ihr lastete.
    «Ich kann es nicht — ich kann es nicht», sagte sie sich unablässig, während das Tageslicht hinter den zugezogenen Vorhängen allmählich verblaßte und Zwielicht den Raum erfüllte. Aber sie wußte, sie mußte es tun. Sie dachte an ihre Mutter, wie sie auf dem Küchentisch gesessen und mit den Tränen gekämpft hatte.
    Immer wieder stand das Bild vor ihr, das ein Symbol für all die Dinge war, die von nun an nicht mehr zu ihrem Leben gehörten: ein dunkler und ein blonder Junge, die mit großen Bierkrügen in der Hand über den Rasen schlenderten.

    «Das wär geschafft», sagte Mrs. Shannon resigniert, steckte das Taschentuch, mit dem sie gewinkt hatte, wieder in ihre Handtasche und suchte nach ihrer Bahnsteigkarte.
    «Lucienne in Hollywood, das ist wohl das Widersinnigste, was man sich vorstellen kann, aber ich glaube, sie werden ganz gut miteinander auskommen.» Onkel Geoffrey hatte vor acht Tagen geheiratet, und nach einer kümmerlichen Flitterwoche auf der Isle of Wight hatte er sie wieder verlassen, war mit dem Schiffszug davongefahren, und mit ihm seine junge Frau.
    Madame Robeau war zur Hochzeit herübergekommen, ganz in Schwarz, als handle es sich um ein Begräbnis. Auf dem Kopf trug sie einen phantastischen Hut mit einem riesigen Flügel an jeder Seite, vermutlich die Überbleibsel einer Reliquie aus ihrer Jungmädchenzeit. Sie hatte die ganze Zeit über geweint, und Onkel Geoffrey sah aus, als ob er gern mitgeheult hätte.
    «Kopf hoch, mein Hase», sagte Mrs. Shannon zu Mary, als sie den Bahnsteig verließen, «sicher kommt er bald zurück. Weißt du was, wir werden uns eine Flasche Sekt zum Abendbrot leisten, ja? Du siehst aus, als könntest du’s gebrauchen. In den letzten Tagen hast du einen schrecklich trübsinnigen Eindruck gemacht. Man sagt ja immer, die Verlobungszeit wär eine anstrengende Zeit. Hast du Sehnsucht nach deinem Pierre? Du fährst ja bald wieder rüber zu ihm, und es dauert nicht mehr lange, dann bist du auch verheiratet.»
    «Ja», sagte Mary verzagt.
    «Wir nehmen uns ein Taxi nach Haus, du siehst wirklich müde aus, mein Kleines.» Sie ließ das Taxi an einer Weinhandlung halten und kehrte triumphierend mit einer Flasche zurück. Den ganzen Tag über war sie schon sehr aufgekratzt gewesen, und auf dem Heimweg summte sie vor sich hin.
    «Was ist eigentlich mit dir los?» fragte Mary gereizt. «Sekt, Taxi, Gesang —» Ihre Mutter schüttelte nur den Kopf und lachte. «Ich bin ja heut so glücklich —», trällerte sie.
    Mary war in ihrem Zimmer und kämmte sich die Haare, als ihre Mutter hereinkam, angeblich um nach einem Paar Strümpfe zu

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