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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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Tränen aus.

    Es war sehr kalt. Der trübe Novemberhimmel hing tief herab, die Luft war rauh und erfüllt von dem scharfen Geruch herannahenden Nebels. Mary trug ein graues Flanellkostüm mit einem Pullover und darüber einen Kamelhaarmantel, und Mrs. van de Meyer trug Wildlederstiefelchen und den langhaarigen Pelzmantel, der das Vorhandensein ihrer schon an und für sich nicht sehr ins Auge fallenden Beinchen völlig verbarg. Sam Howard hatte einen blauen Schal um den Hals, und sein Mantel war aus grobgewebtem Stoff. Alle drei saßen zusammen vorn in dem Buick, sämtliche Fenster waren geschlossen, und die Windschutzscheibe war von ihrem Atem beschlagen. Mary mußte fortwährend mit ihrem Pelzhandschuh über die Scheibe wischen. Als sie einmal kurz von der Straße aufsah, bemerkte sie Sams ernstes Gesicht, dessen Konturen sich klar gegen das Seitenfenster abzeichneten. Höflich hörte er Mrs. van de Meyer zu, deren Redefluß unaufhaltsam dahinplätscherte, so daß Mary nichts zu sagen brauchte und das Gefühl angenehmer Ermattung genoß, das überstandene Schmerzen zurücklassen. In ihrem Inneren war es wohltuend ruhig. Das Auto und die Stimme der Amerikanerin wurden schneller und verlangsamten das Tempo nur einmal in den lauten Straßen von Uxbridge.
    «Ach, Mrs. van de Meyer», sagte Mary plötzlich, «ich sehe gerade, warum ich nicht runterschalten konnte. Sie haben Ihre Beine über dem Schalthebel gekreuzt.» Sie kicherte, und als sie zur Seite sah, bemerkte sie, daß die ernsten Fältchen in Sams Gesicht in völlige Unordnung gerieten, wenn er lachte.
    Was er für ein nettes Lächeln hat, dachte sie und betrachtete ihn zum erstenmal nicht nur als den voraussichtlichen Erbauer der . Sie war aus dem Alter heraus, in dem man sich, sobald man einen Mann traf, unwillkürlich sofort in Kranz und Schleier an seiner Seite sah, in einem Kleid mit vorteilhafter Rückenansicht, aber sie warf doch einen zweiten Blick auf Sams lächelndes Gesicht und dachte, «das wäre ein netter Mann zum Heiraten». Vermutlich hatte er eine Frau und sechs Kinder. Alles, was Mrs. van de Meyer von ihm erzählt hatte, war, daß er ein «bezaubernder Mensch» sei. Sie hatte ihn bei den Gregorys kennengelernt, hatte sich zwei Stunden mit ihm unterhalten und dann — inmitten einer Schar von cocktailtrinkenden Leuten — einen Vertrag mit ihm geschlossen.
    Als sie an der Ampel in High Wycombe hielten, schwärmte Mrs. van de Meyer gerade von einem Park mit Wildbestand. Sie zu unterbrechen, war keine Unhöflichkeit, sondern eine Notwendigkeit für jeden, der seinen Mund auch einmal aufmachen wollte. Sam sah aus dem Fenster und sagte: «Sehen Sie mal den Mann da drüben auf dem Trottoir, wie der versucht, beim Gehen nicht auf die Rillen im Pflaster zu treten.»
    Wie wenige würden so etwas bemerken. Er ist wirklich nett, dachte Mary und sagte: «Spielen Sie dieses Spiel auch? Ich spiele es sehr oft.»
    «Ich immer», meinte er nachdenklich, und Mary, die, als die Ampel auf Grün zeigte, erneut Mrs. van de Meyers Beine entwirrte, überlegte, was sie sagen könnte, um den kurzen Moment des Verstehens zwischen ihnen zu verlängern, aber die beharrliche und lautstarke Schilderung des Wildparks nahm seine Aufmerksamkeit in Anspruch, und so konzentrierte sie sich auf das Fahren und überließ die beiden anderen ihrer Unterhaltung.
    Gleich hinter Oxford hielten sie, um irgendwo einen Drink zu nehmen. Mary, die Mrs. van de Meyers Geschmack kannte, hatte beim Anblick eines kahlen, modernen Hotels, über dessen Eingang mit Neonschrift stand, das Tempo verringert, aber ihre Arbeitgeberin winkte ab. Sie bestand auf einem Gasthaus mit typisch englischer Atmosphäre und war enttäuscht, als sie in der Bar des feststellen mußte, daß der Wirt noch nie etwas von einem gehört hatte und außerdem nicht mal Eiswürfel vorhanden waren.
    «Ist das denn zu glauben?» meinte sie, als sie ganz unglücklich vor ihrem Glas Sherry saß. Von der echten alten Sitzbank mit der hohen Rückenlehne nahm sie nicht mehr Notiz als von einem Brokatsofa im Waldorf-Astoria.
    «Was nehmen Sie?» fragte Sam Mary. Sie stellte fest, daß er sehr groß war, eine unbestimmbare Haarfarbe hatte und lange Beine, zu denen die grauen Flanellhosen gut paßten.
    «Ich weiß nicht recht. Mir ist plötzlich schrecklich kalt. Was trinkt man am besten, wenn einem so kalt ist?»
    «Whisky Mac», empfahl der Wirt prompt und griff nach

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