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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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weizenartigen Geschmack, nach dem er roch, den hatte er nie.
    Mrs. van de Meyer hatte einmal flüchtig zu ihr hingesehen, konstatiert, daß sie blaß sei, und sich erkundigt, ob sie schon das von der Arden probiert habe. Sam Howard hatte mit hochgezogenen Augenbrauen gefragt «Ist Ihnen nicht gut?», als der Kellner ihren unberührten Pudding fortnahm. Um nicht in Tränen auszubrechen, sagte sie kurz: «Ich habe keinen Hunger.»
    Jetzt saß sie auf der niedrigen Steinbrüstung, die die Terrasse auf der Rückseite von Mrs. van de Meyers Traumhaus umschloß, und trommelte mit den Absätzen gegen die Mauer. Soweit das überhaupt möglich war, war das Haus von dieser Seite noch kahler und häßlicher als von vorn, aber aus der Unzahl phantasielos angeordneter Fenster hatte man eine herrliche Aussicht. Mary saß mit dem Rücken zum Haus, hatte sich den Mantelkragen hochgeschlagen und überlegte, wie es wohl sein müsse, wenn man jeden Morgen beim Aufwachen auf einen sanft abfallenden Rasen blicken würde, der in einen Park mit kahlen, schwarzen Bäumen überging, die immer dichter und dichter zusammenstanden, bis es ein richtiger Wald war. Der Wald zog sich ein kurzes Stück hügelabwärts und hörte unvermittelt am Rand einer leuchtend grünen Wiese auf, die schließlich zum Fluß führte. Über den niedrigen Hügeln jenseits des Tals hing ein riesiger roter Sonnenball. Bald würde er verschwunden sein, und die Dunkelheit würde schnell hereinbrechen.
    Von Zeit zu Zeit hörte sie die Stimmen der drei anderen im Haus. Jowitt senior war sehr heiser, und in gewissen Abständen wurde er von einem quälenden Raucherhusten geschüttelt.
    Mary, die sich in einem Spiegel des Hotels betrachtet hatte, hatte sich resigniert mit der Tatsache abgefunden, noch nie so unvorteilhaft ausgesehen zu haben. Traf man einmal einen wirklich netten Mann, dann ausgerechnet unter solchen Umständen. So war das Leben nun einmal. Immerhin hatte sie den Tag ohne beschämende Zwischenfälle überstanden, und falls der Schmerz wie am Vormittag wieder drei Stunden aussetzte, dann würde sie gerade noch nach Hause kommen. Wahrscheinlichwürde sie Sam sowieso nie wiedersehen. «Außerdem werde ich wohl sterben», dachte sie unbeteiligt.
    Der Wind vom Tal her wehte direkt in ihre Richtung, und sie hüllte sich fester in ihren Mantel. Wie schön würde es sein, im Bett zu liegen und verhätschelt zu werden. Sie wünschte sich plötzlich, ihre Mutter wäre ein hausbackenes, kleines Frauchen mit einem breiten Schoß.
    Es wurde zu kalt auf der Terrasse. Sie sprang von der Brüstung und ging, auf der Suche nach den Stimmen, ums Haus herum. Sam und Mr. Jowitt waren im Speisezimmer, dessen Möbel mit Schonbezügen zugedeckt waren, und starrten auf riesige Pläne, die den ovalen Tisch bedeckten. Von Mr. Jowitts Unterlippe baumelte eine Zigarette herab, die er nur entfernte, wenn er husten mußte, und manchmal hustete er auch, ohne sie aus dem Mund zu nehmen, wobei er wie ein Todkranker nach Luft rang. Er war schmuddelig, hatte strähnige Haare und ausdruckslose Glotzaugen.
    «Erst mal den Plan fürs Fundament», wiederholte er immer wieder, «erst mal den Plan fürs Fundament — fünfundfünfzig zu dreißig. Lassen Sie alles andere beiseite. Erst mal den Plan fürs Fundament.»
    Sam hatte eine Pfeife im Mundwinkel. Als Mary hereinkam, sah er auf, lächelte ihr zu, und sie tauschten einen Blick des Widerwillens, als Jowitt senior einen weiteren abscheulichen Hustenanfall erlitt. Mary fühlte sich plötzlich besser und wanderte weiter, um Mrs. van de Meyer behilflich zu sein, die in der staubigen Halle kniete und versuchte, den Umfang einer Säule mit dem Taschentuch zu messen.
    Endlich waren sie zum Aufbruch bereit. Mr. Jowitt rollte seine Pläne zusammen, und sie marschierten alle hinaus zum Auto, das auf der Auffahrt vor dem Hause stand. Mrs. van de Meyer trennte sich nur schwer und kehrte dauernd um, um noch dies oder jenes zu betrachten, und als Mary glaubte, daß sie nun endlich käme — sie hatte auch tatsächlich schon einen Fuß auf dem Trittbrett-, da erblickte sie einen Schornstein und zerrte Mr. Jowitt über den Kiesweg hinweg, damit sie ihn beide besser sehen konnten.
    Mary ließ sich gegen das Auto fallen, steckte die Hände in die Taschen und seufzte. Sam kam und stellte sich so nah vor sie hin, daß sie die einzelnen Maschen in seinem blauen Pullover erkennen konnte.
    «Sagen Sie», fragte er, «fehlt Ihnen etwas? Ich möchte mich

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