Mariana
die Barnet Summers, Mrs. Otto — Charlotte hat sogar ein strohgedecktes Dach. Nein, ein Haus wie dies, das wird wirklich etwas Besonderes sein. Vielleicht werde ich es nennen. Mr. Howard muß unbedingt herkommen und es sich ansehen, bevor er mit den Entwürfen beginnt. Ich möchte wissen, wem das Haus gehört. Fahren Sie mich doch zum Tor, meine Liebe, dann erkundige ich mich an dem Pförtnerhäuschen. Ich würde mir das Haus gern mal ein bißchen näher ansehen.»
«Aber das geht doch nicht.»
«Warum denn nicht? Lieber Himmel, wenn ich so einen Besitz hätte, würde ich mich freuen, wenn Fremde ihn bewunderten.»
«Ja sicher, aber diese Leute haben es vielleicht nicht gern. Man weiß doch gar nicht —» Aber es war zwecklos. Sie würde es trotzdem tun. Auf ihren hohen Absätzen mit dem gewagten, spitzen Hütchen auf dem Kopf würde sie den gepflasterten Weg zu dem Pförtnerhäuschen hinaufstöckeln, wie sie es schon in so vielen anderen privaten Gärten getan hatte. Genauso war sie um Hochaltäre und sogar hinter den Kulissen des herumgetrippelt — überall dort, wo es sie in ihrer Begeisterung gerade hinzog. Mit der Naivität der reichen Frau bemerkte sie nicht, ob sie Ärger erregte oder sich lächerlich machte, aber Mary, die darin typisch englisch empfand, litt ihretwegen Qualen der Verlegenheit. Sie hatte zu der kleinen Frau, die wie ein Pekinesenhündchen aussah, eine gewisse Zuneigung gefaßt, seit sie als Chauffeuse und Gesellschafterin für sie tätig war und ihr alle Sehenswürdigkeiten zeigte, die sich im Umkreis einer Tagesreise vom Berkeley Hotel, Piccadilly, befanden.
Mrs. van der Meyer gehörte zu Mrs. Shannons besten Kundinnen. Jedes Mal, wenn sie nach England kam, kaufte sie hoffnungsfroh eine Menge für sie ganz ungeeigneter Kleider im Salon , der sich in den zwei Jahren seit seiner Flaute zu einer der solventesten Firmen in der South Molton Street entwickelt hatte.
Während sie ein viel zu jugendliches, mit Affenpelz besetztes schwarzes Kleid anprobierte, hatte Mrs. van de Meyer Mrs. Shannon ihr Leid geklagt, daß der von ihr engagierte Chauffeur ein Trottel sei, der einen Wegweiser nicht von einem Kriegerdenkmal unterscheiden könne. Marys Mutter, ängstlich darauf bedacht, sie bei guter Laune zu halten, hatte ihr vorgeschlagen, ob sie nicht Mary statt seiner nehmen wolle. Die Amerikanerin war von der Idee so entzückt, daß sie tatsächlich das Affenpelzkleid, das schon seit einiger Zeit zu den Ladenhütern gehörte, kaufte und den vollen Preis dafür bezahlte.
Unter Zuhilfenahme etlicher Reiseführer und mit einigem Raten fand Mary sich ganz gut zurecht, und es machte ihr Spaß, das große gemietete Buick-Coupé zu fahren. Es bedeutete eine angenehme und nicht weiter anstrengende Abwechslung für sie, nachdem sie zwei Jahre lang auf Modenschauen Notizen gemacht, im Laden Kleider vorgeführt und zu Haus in ihrem Zimmer bäuchlings auf dem Fußboden liegend die schönsten Modelle für unschöne Figuren entworfen hatte. Mrs. van de Meyer war sehr großzügig in Geldangelegenheiten. Eigentlich sollte sie Mary nicht honorieren, aber oft, wenn diese nach einem mit amerikanischer Betriebsamkeit angefüllten Tag entnervt und verdrossen nach Haus fuhr, beschämte sie sie mit dem Geschenk einer Fünfpfundnote.
Gerade erschien sie — vergnügt und unbekümmert — wieder am Parktor, begleitet von einer mürrisch aussehenden Frau mit Lockenwicklern im Haar, zwei Kindern, die ein Marmeladenbrot aßen, und einer schnüffelnden Promenadenmischung von Hund.
«Es gehört einem Lord», verkündete Mrs. van de Meyer beglückt, als Mary die Autotür für sie öffnete. «Das Haus ist zu vermieten, die Besitzer sind im Ausland, aber sie hat mir die Namen der Makler gesagt. Wir fahren gleich hin und sprechen mit ihnen. Sie haben ihr Büro in der Stadt, durch die wir vorhin gekommen sind.»
Plötzlich müde und deprimiert bei dem Gedanken, daß sie nun zu spät zu dem Abendessen mit Hugh käme, der dadurch noch säuerlicher und langweiliger sein würde als gewöhnlich, wendete Mary den Wagen auf dem Platz vor dem schmiedeeisernen Portal. Die wenig anziehende Familie aus dem Pförtnerhäuschen beobachtete sie dabei mit stummer Verachtung. Sie lenkte den Wagen vorsichtig auf die Straße, während hinter ihr eins von den Kindern den Hund trat, wofür es von der Mutter geschlagen wurde, und das andere die Zunge rausstreckte und mit den Händen eine
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