Mariana
ihr alles mögliche zu.»
«Das finde ich nicht so schlimm», sagte Mary, «wenn Julia weiter nichts anstellt, kann Tante Mavis von Glück sagen.»
«Ja, das stimmt schon, aber du weißt ja, daß Tante Mavis aus jeder Mücke immer gleich einen Elefanten macht. Sie behauptet, Julia sei hingerissen von dem Zauber dieses Mannes, und sie wäre zu allem fähig. , hat sie gesagt. Ich finde das Ganze reichlich albern. Ich kann verstehen, daß man sich in einen Schlagersänger verliebt, weil er ein Mann ist, aber nicht, daß man sich in einen Mann verliebt, weil er Schlagersänger ist.»
Mary lächelte etwas mühsam. Sie wünschte, ihre Mutter würde sich hinsetzen und nicht mit dem Finger in dem winzigen Loch in der Tüllgardine herumbohren, während sie auf die Straße sah. «Was ist sonst noch so passiert?» fragte sie, nicht weil es sie interessierte, sondern weil man sich ja schließlich mit seiner Mutter unterhalten mußte, wenn sie einen besuchen kam, ganz egal, wie müde und unlustig man sich auch fühlte.
«Geoff hat geschrieben, daß Luciennes Baby immer noch quittegelb ist, aber abgesehen davon, Mutter Robeau wie aus dem Gesicht geschnitten sei. Es soll René heißen — ich wußte ja, daß Lucienne ihren Kopf durchsetzt — , und getauft wird es in der Kirche von irgend so einer Sekte. Die Amerikaner sind wirklich total übergeschnappt, findest du nicht?»
«Was sind sie? Entschuldigung, ich hab nicht zugehört. Ach ja, richtig. Sag mal, Mama —»
«Was denn, mein Hase?»
«Hat nicht jemand — angerufen und nach mir gefragt, oder so?»
«Ich glaube nicht. Mrs. van de Meyer natürlich. Die ruft ununterbrochen an. Ach ja, und Hugh hat auch gestern abend angerufen und wollte dich sprechen, aber er schien nicht sehr besorgt zu sein, als ich ihm sagte, wo du bist. Er war noch ganz erfüllt von irgendeiner Wochenend-Party. Ich finde ihn ziemlich langweilig. Du wirst doch hoffentlich niemals auf sein Profil reinfallen, was? Ich hab immer Angst, er könnte sich zu einem zweiten Fall Pierre entwickeln, und ich muß schon sagen, die Kosten für zwei Verlobungsanzeigen in der Times-»
«Sonst niemand? Nur Hugh?»
«Augenblick mal, neulich hat ein Mann angerufen, als ich nicht da war. Doris sagt, er hätte zweimal angerufen, aber ich weiß nicht, wer’s war.»
Die redseligste und munterste der Krankenschwestern, die Bonzo genannt wurde, kam mit einem gewaltigen Blumenangebinde hereingestolpert. «Sie sind aber ein Glückspilz. Ich fürchte, sie wird viel zu sehr verwöhnt, Mrs. Shannon. Riesige Chrysanthemen, ich hab schon mal nachgesehen.»
Mary riß das Papier herunter. Die Blumen waren bezaubernd. Riesige weiße Schneebälle mit kräftigen, krausen Blättern, genau die Blumen, die ein Mann aussuchen würde. Eilig griff sie nach der Karte.
«Ach», sie konnte die Enttäuschung in ihrer Stimme nicht verbergen. «Von Gerald.» Ihre Mundwinkel senkten sich betrübt.
«Wie reizend von ihm», sagte ihre Mutter, die ans Bett getreten war, «die sind ja prachtvoll. Er muß sie telegraphisch bestellt haben. Vergiß nicht, ihm zu schreiben und dich zu bedanken, mein Herz.»
Mary knurrte gereizt und warf sich in die Kissen zurück.
«Deshalb brauchst du doch nicht gleich so mürrisch zu sein, selbst wenn du krank bist», sagte die Mutter geduldig, als spreche sie mit einem unartigen Kind. «Komm, komm, nicht weinen, du Schäfchen, du hast gar keinen Grund. Schwäche», artikulierte sie stumm zu Bonzo, die an der anderen Seite des Bettes stand.
«Ach, sie weint doch nicht», sagte Bonzo forsch, obwohl gerade in diesem Augenblick zwei Tränen über Marys Wangen kullerten und aufs Kissen tropften. «Trauerweiden wollen wir hier nicht haben. Die kriegen was hinten drauf. Stimmt’s Mary?» Sie lachte schallend und ging knisternd und raschelnd auf ihren großen, quietschenden Gummisohlen hinaus, um die Blumen mit noch weniger Geschick zu arrangieren, als eigentlich menschenmöglich war.
Natürlich mußte ausgerechnet Tante Fanny da sein, als er kam. Genaugenommen war sie nur eine Großtante, Großpapas gebrechliche, unverheiratete Schwester, die nur noch selten ihr Heim in Cromwell Road verließ, es sei denn, es handelte sich um Friedhofsbesuche. Hatte sie alle ihre Gräber inspiziert, dann besuchte sie die Kranken, was ihr die zweitliebste Beschäftigung war.
Mit einem jungen, gutaussehenden Mann hatte sie schon seit langem nicht mehr geplaudert, und als die schottische Krankenschwester mit den
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