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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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auf der sie früher mühsam ihr Fahrrad nach oben geschoben hatte und die heute kaum noch eine Steigung aufwies. Langsam schlichen sie zwischen den kahlen Ulmen hinauf, und Sam, der nach rechts hinaussah, sagte: «Gutes Weideland hier.»
    «Das ist kein Weideland», protestierte Mary, «das ist ein Park.» Im Handumdrehen waren sie oben angekommen, vor dem eisernen Tor, das Mary noch nie zuvor geschlossen gesehen hatte.
    «Halte bitte hier», sagte sie und beugte sich vor, um an ihm vorbei einen Blick durchs Tor zu werfen. Sie starrte und starrte und traute ihren Augen nicht.
    «Aber es ist ja so klein», sagte sie immer wieder.
    Der Kiesweg, auf dem damals die Pferde, auch wenn sie noch so müde waren, wieder zu traben begonnen hatten, weil sie den Stall witterten, war lächerlich kurz. Das Haus am anderen Ende schien viel näher als früher, und im Vergleich zu dem Bild in Marys Erinnerung war es winzig.
    «Was für ein bezaubernder alter Besitz», sagte Sam. «Den möcht ich mir gern näher ansehen. Diese Schornsteine sind einfach toll.»
    «Glaubst du, sie haben was dagegen, wenn wir hineinfahren und fragen, ob wir uns mal kurz umsehen dürfen?» fragte Mary zögernd, «wir brauchen ja nicht ins Haus zu gehen. Das möcht ich auch gar nicht, wo jetzt alles ganz verändert ist, mit anderen Möbeln und so. Wir können ihnen ja sagen, daß ich früher hier gelebt habe. Oder bin ich schon ebenso schlimm wie Mrs. van de Meyer?» Draußen zu stehen und hineinzuspähen, war trostlos, sie kam sich vor wie ein Kind vor einem Geschäft mit Süßigkeiten.
    «Wir werden es riskieren», sagte er, «ich möchte den Ort gern sehen, wo du als Kind so oft gewesen bist. Ich werde das Tor aufmachen.»
    «Nein, das mache ich.» Sie stieg aus und ging zu den Torpfosten in der grauen Steinmauer. Es war unheimlich, die Hand wieder genau auf die moosbewachsene Stelle zu legen, wo sie so oft gesessen und die Kühe auf ihrem Heimweg zur Farm beobachtet oder auf eins der Autos oder den Ponywagen gewartet hatte, damit sie einen die Auffahrt mit hinaufnahmen. Kaum vorstellbar, daß man sich bemüht hatte, die paar Schritte zu sparen. Aber auf dem Stein hatte man warm und behaglich gesessen und — ja, da war der Spalt, gegen den sie immer mit den Absätzen getrommelt hatte.
    Als sie vor dem Haus standen, klopfte sie an die Tür — die Tür, die früher fast immer offenstand. Ihr Herz schlug schneller. Nichts rührte sich. Schweigen! Sie drehte sich nach Sam um, der seine Pfeife ansteckte und ihr ermutigend zulächelte. Sie klopfte noch einmal, Schweigen! — Aber jetzt hörte man Schritte jenseits der Tür, und ein Riegel wurde zurückgeschoben. Eine Frau mit einem Puddinggesicht und einem schmutzigen weißen Kopftuch öffnete und sagte wie aus der Pistole geschossen: «Wenn Sie für den Trödelmarkt sammeln wollen, dann kommen Sie gefälligst an die Hintertür. Ich hab’s satt, das immer wieder zu sagen.»
    «Entschuldigen Sie», sagte Mary betroffen, «ich komme nicht wegen der alten Sachen. Ich hatte gedacht, ich meine — könnten wir vielleicht-» So gut sie es vermochte, erklärte sie der sie ausdruckslos anstarrenden Frau ihr Anliegen.
    «Ich muß schon sagen», die Frau kratzte sich unentschlossen durch das Tuch hindurch den Kopf, «das weiß ich nun wirklich nicht. Ich bin hier, um sauberzumachen und aufzupassen, wenn das Haus leersteht. Ich hab nichts zu erlauben oder zu verbieten, tut mir leid.» Vielleicht tat es ihr wirklich leid, anzumerken war es ihr jedenfalls nicht.
    Mary hatte einen Geistesblitz. «Ist Tom noch hier?» fragte sie, «Tom Lawley? Er kennt mich.»
    «Ist mir unbekannt.»
    «Vielleicht sind Bates’ noch da? Mr. und Mrs. Bates? Wohnen sie noch in dem Pförtnerhäuschen an der hinteren Auffahrt?»
    «Ach so.» Das Gesicht zeigte den Anflug eines Lächelns, es sah aus wie ein Teig, in den man vorsichtig mit dem Finger eine Kuhle bohrt. «Das ist was anderes. Wenn Sie Bates sprechen wollen, warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Der ist im Küchengarten und verbiegt sich das Kreuz an seinen Kartoffeln. Wenn der mal Besuch bekommt, fallen Ostern und Pfingsten auf einen Tag», sagte sie und betrachtete Mary und das Auto geringschätzig.
    «Wenn er sagt, daß wir uns hier umsehen dürfen, gestatten Sie es dann?» fragte Mary bescheiden. Die Frau zuckte die schweren Schultern und schickte sich an, die Tür zu schließen. «Mich brauchen Sie nicht zu fragen», sagte sie, «die Verantwortung kann er übernehmen, wenn

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