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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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und lehnte sich an ihn.
    «Komm, mein Süßes», sagte er, «wir wollen hier raus. Wir gehen in dein Zimmer oder in meins oder sonst irgendwohin.» Als sie sich hinausschlängelten, empfand Mary ein flüchtiges Bedauern für all diese tristen Gestalten, die nichts Besseres zu tun wußten, als den ganzen Abend nach der Musik von Col Collier zu tanzen.
    Am ersten Feiertag gingen sie alle drei in die Kirche. Mrs. Shannon, tief gerührt durch die Weihnachtslieder, bekam ihre alljährlich wiederkehrenden religiösen Anwandlungen, schritt nach dem Gottesdienst wie im Trancezustand die Straße entlang und schwärmte ergeben von dem friedvollen Leben einer Nonne.
    An der Kreuzung, an der die Highstreet zum Meer abbog, verließ sie sie und schwebte allein, nur von Engeln umgeben, ins Hotel zurück. Sam und Mary gingen zum Hafen hinunter, spazierten um ihn herum und kletterten auf der anderen Seite den hohen, grasbewachsenen Hügel der Halbinsel hinauf, die zwischen den beiden Buchten von St. Justin’s lag. Als sie oben angekommen waren, nahm Mary ihren Hut ab, und lachend liefen sie gegen den Seewind, den sie in vollen Zügen einsogen. Als Sam sie küßte, schmeckten seine Lippen ganz salzig, und seine Wange fühlte sich glatt und kalt an. Marys lange, zerzauste Locken fielen über sein Gesicht, und er sagte, sie röchen nach Seetang.
    Seit gestern hatte das Wetter sich aufgeklärt, und Wolkenfetzen jagten an dem blankgefegten Himmel entlang. Die Sonne brach immer wieder durch, funkelte auf den Wellenkämmen, und das feuchte Gras zu ihren Füßen glitzerte wie zerbrochenes Glas. Sie standen am Rand der Klippe und beobachteten, wie das dunkle Wasser sich schäumend an dem gegenüberliegenden Felsen brach.
    «Ist dir auch nicht kalt?» fragte Sam.
    «Überhaupt nicht. Es ist herrlich.»
    «Wie wär’s, wenn wir uns trotzdem an eine windgeschützte Stelle setzten? Ich habe Angst vor deiner Mutter, wenn ich dir zuviel zumute.» Sie gingen ein Stückchen zurück und fanden einen flachen Felsblock, der im Schutze eines größeren stand. Als sie sich setzten, fiel ihm plötzlich etwas ein. «Hier», sagte er, «ich hab ein Weihnachtsgeschenk für dich.»
    «Oh, Sam, und ich habe nichts für dich.»
    «Eigentlich ist es auch gar kein Weihnachtsgeschenk.» Er zog die Hand aus der Tasche und öffnete sie. Auf seiner Handfläche lag ein kleiner Ring aus mattem Gold, kunstvoll wie zwei ineinanderverschlungene Hände geformt. So einen Ring hatte Mary noch nie gesehen.
    «Ach, Sam», sagte sie aufgeregt, «der ist aber schön.» Sie drehte und wendete ihre Hand hin und her, um den Ring an ihrem Finger zu bewundern. «Ich danke dir, Liebster. Ich finde ihn bezaubernd. Wo hast du den denn entdeckt?»
    «Vor langer Zeit hab ich ihn in einem komischen, kleinen Laden gesehen, und vorgestern bin ich hingegangen, um nachzusehen, ob er noch da ist. Nachdem ich ihn gekauft hatte, fiel mir plötzlich ein, daß ich dich ja noch gar nicht gefragt hatte, ob du mich heiraten willst. Ich hatte das als ganz selbstverständlich vorausgesetzt, und auf der ganzen Fahrt hierher hab ich schreckliche Angst gehabt, ob du auch ja sagen würdest.»
    «Woher wußtest du, daß er mir gefallen würde?» fragte Mary, legte ihre Hand auf sein Knie und betrachtete verträumt ihren Ring.
    «Irgendwie paßt er so genau zu uns. Du legst doch keinen Wert auf Brillanten, mit denen du vor deinen Freundinnen protzen kannst, oder? Nein — das wußte ich. Wenn du gern willst, dann werde ich dich später mit Brillanten behängen, vorausgesetzt, daß weiterhin Frauen wie Mrs. van de Meyer existieren. Aber ich werde sie dir nie zu einem Anlaß schenken, der mir etwas bedeutet.»
    «Den Ring, den Pierre mir geschenkt hat, den hab ich nie gemocht», sagte Mary nachdenklich. «Als ich die Verlobung löste, warf ich ihn von der Westminster Brücke in die Themse. Eine reichlich theatralische Geste, was? Aber da war ich auch noch sehr jung. Heute würde ich ihn lieber versetzen. Sam, ich habe dir noch nicht viel von Pierre erzählt — und von anderen auch nicht. Liegt dir was daran? Soll ich es tun?»
    Er schüttelte den Kopf. «Ich will gar nichts wissen», sagte er ernst. Er hielt sie umschlungen, so daß ihr Rücken an seiner Brust lag. Sie fühlte sein Herz an ihrer Schulter schlagen. «Erzähl mir nichts», fuhr er fort, «was war, bevor wir uns trafen, ist unwichtig. Es hat nichts mit dem zu tun, was zwischen uns ist. Das heißt allerdings nicht, daß ich nicht verdammt

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