Mariana
Getöse auf dem mit roten Fliesen gepflasterten Gang vor der Küchentür.
«Na, so was», sagte Mrs. Linney und humpelte auf ihren geschwollenen Füßen herbei, ihre Hände — über und über mit Teig bedeckt — sahen riesig aus. «Da ist sie ja wieder, ja, Unkraut vergeht nicht. Willst du ein Stück Kuchen haben, mein Herzchen?» Mary stopfte sich das ganze Stück, das noch warm vom Backofen war, auf einmal in den Mund und . schlenderte den Gang entlang zur Hintertür hinaus. Dort blieb sie, während sie ihren Kuchen mampfte, einen Augenblick unschlüssig stehen. Wo würde sie ihn wohl finden? Er konnte an so vielen Stellen sein: in den Stallungen, im Kiefernwald, im Küchengarten, auf dem Kricket-Feld, im Spielschuppen — wo sollte sie zuerst suchen? Sie beschloß, es in den Ställen zu versuchen, denn selbst wenn sie dort nicht waren, würde Tom vielleicht wissen, wo ihre Vettern und Kusinen steckten. Sie wandte sich nach links und stieg die Anhöhe hinauf zu den Ställen, wo sie Tom in einer geräumigen Box damit beschäftigt fand, Chuck, dem großen, braunen Jagdpferd, Haare aus dem Schwanz zu ziehen. Ihr Großvater hielt drei Pferde, zwei Reitpferde und ein Wagenpferd für den Dogcart. Außerdem waren für die Kinder noch drei zottige Ponys da, die frei im Park umherliefen.
«Wenn du den jungen Herrn Denys suchst», sagte Tom und zupfte bei jedem Wort dem zusammenzuckenden Chuck ein Haar aus dem Schwanz, «der war vor einer halben Stunde hier und wollte unbedingt ein Seil haben — braucht es, um jemand aufzuhängen, hat er gesagt. Keine Ahnung, wo er damit hin ist.»
«Vielen Dank», sagte Mary und rannte den Hügel wieder hinunter. Wenn jemand aufgehängt werden sollte, geschah das wahrscheinlich dort, wo die meisten Folterungen und schweren Bestrafungen vorgenommen wurden: Im Spielschuppen, einer großen, kahlen Holzbaracke mit einer Sandgrube darunter, die Großpapa im Buchenwald gebaut hatte, damit die Kinder weit ab vom Haus soviel Lärm und Unordnung machen konnten, wie sie wollten. Am Fuß des Hügels, wo man auf den Kiesweg stieß, der von der Vorderfront des Hauses hinabführte, bog sie in den Wald ab und ging den hartgestampften, ausgetretenen Pfad entlang, neben dem sich samtweiche Moospolster zu Füßen der Bäume ausbreiteten. Als sie die Lichtung erreichte, wo sich der Spielschuppen befand, hörte sie das schrille Kreischen eines Mädchens und eine heisere, kicksende Jungenstimme, die ein Triumphgeheul ausstieß. Denys!
Hätte Mavis Ritchie das Schauspiel sehen können, das sich Marys Augen bot, als sie die Tür aufklinkte, sie wäre in eine tiefe Ohnmacht gefallen. Ihre Tochter Sarah wurde gerade gehängt. Sie war ein ziemlicher Trampel, ebenso alt, aber doppelt so groß und dick wie Mary, hatte ausdruckslose braune Kuhaugen und war dumm und hinterhältig. Sie schnüffelte in fremden Tagebüchern herum und petzte — ohne die geringsten Gewissensbisse — bei den Kinderfrauen. In diesem Augenblick stand sie mit gespreizten Beinen über der geöffneten Falltür, durch die sonst Sand in den Hohlraum unter der Hütte gefegt wurde. Um Sarahs Hals war ein Seil geschlungen, dessen Ende über einen Balken unter dem Dach geworfen war. Dieses Seilende umklammerte Michael Shannon, der achtjährige Sohn von Marys Onkel Lionel. Über dem Kopf trug er einen Sack, in den zwei Löcher geschnitten waren, durch die seine aufgeregten Koboldaugen funkelten. Seine ältere Schwester Margaret, mit ihren vorstehenden Zähnen, der Nickelbrille und den feuchten, tolpatschigen Händen, war dazu verurteilt, bei den Spielen immer die langweiligen Rollen zu übernehmen. Sie hielt mit ernster Miene den dicken Band eines Kinderlexikons hoch, aus dem Denys, dem das Hemd über der Hose hing, eine Art Totenmesse las.
Mary trat ganz unauffällig ein, so, als ob sie nur mal zwischendurch einen Augenblick vor die Tür gegangen wäre, und wurde sofort ohne viel Aufhebens und ganz selbstverständlich in das Spiel miteinbezogen.
«Hallo, Maria!» sagte Denys. «Komm her, du kannst der Henker sein. Nimm den Sack ab, Michael, und laß Mary das machen. Du kannst ein trauernder Verwandter sein. Hier, nimm mein Taschentuch.» Er warf einen schmutzigen, verkrumpelten Lappen zu dem kleinen Jungen hinüber, der versuchte, sich den Sack vom Kopf zu ziehen — grollend zwar, aber gehorsam, denn Denys Wort war Gesetz. Es war ein herrliches Spiel. Es bestand in einer genüßlichen Aufzählung aller Verbrechen des Gefangenen, einem kurzen
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