Mariana
Linneys Bewunderung begnügen.
«Ist sie nicht eine flotte kleine Person, was? Dreh dich mal um, Herzchen. Ja, mein Kind, man muß eben eine Dame sein.» Obwohl das eine ihrer Lieblingsbemerkungen war, hatte Mary bis jetzt noch nicht herausbekommen, ob sie damit gemeint war, oder ob Mrs. Linney sich selbst als Dame fühlte.
«Hier sind deine Brote und die da sind für den jungen Herrn Denys, und nach Pfeffernüssen brauchst du gar nicht erst zu fragen, weil ich nämlich keine habe, und ich weiß auch nicht, wann ich wieder welche bekommen werde.» Sie begleitete Mary bis an die Haustür. «Bring mir ein Kaninchen mit für eine gute Suppe», rief sie ihr nach, während Mary zu den Ställen hinaufstampfte und sich an dem knirschenden Geräusch ihrer Reitstiefel freute.
Denys schwang sich gerade auf Buck, und Tom führte Joy heraus, die schnaubend auf dem Kopfsteinpflaster tänzelte und die Ohren spitzte, als wisse sie, warum ihr Sattel und Zaumzeug so tadellos geputzt, ihre Mähne geflochten und ihre Hufe geölt seien.
«Denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe, Miß Mary, Vorsicht beim Springen», sagte Tom und gab Joy einen Klaps auf ihre stramme Kruppe, bevor sie vom Hof ritten. Sie trabten die hintere Auffahrt unterhalb des Kiefernwäldchens entlang und ritten durch das hohe Tor neben Bates’ Häuschen hinaus auf die steinige, holprige Landstraße. Es war ein herrlicher Tag, die Luft war kalt und frisch, kleine Wölkchen zogen am blaßblauen Winterhimmel dahin, ein Tag, an dem einem so recht zum Bewußtsein kam, wie schön es war zu leben. Mary verspürte ein Prickeln auf ihrer Haut, und sie legte ihre Hand immer wieder auf Joys festen Hals mit der geschorenen Mähne, um die Wärme und Kraft des Pferdes zu fühlen. Sie nahm die Zügel auf und ließ es tänzeln, um zu zeigen, daß sie viel lieber Trab als Schritt reiten würde. Denys und Mary tauschten ein paar kurze Bemerkungen über den Abend zuvor aus, aber meistens ritten sie schweigend nebeneinander, genossen den Morgen und freuten sich auf den aufregenden Tag, der vor ihnen lag. Jedesmal, wenn Mary zur Jagd ausritt, war sie fest überzeugt, daß man sie auf einer Trage ins Haus bringen würde, und vor jedem Sprung sah sie sich im Geist als ein Häufchen Unglück auf der anderen Seite des Hindernisses liegen. Um so größer war die Seligkeit, wenn Joy mühelos darübersetzte, weitergaloppierte und sie selbst noch tief im Sattel saß.
Der Treffpunkt in dem Dörfchen Coombe war mit Menschen, Pferden und Autos vollgestopft, denn zu der Jagd am zweiten Weihnachtsfeiertag stellte sich alles ein. Denys schien viele Menschen zu kennen und zog seinen Hut dauernd vor Leuten, die Mary noch nie gesehen hatte. «Das ist Major Wiley da drüben», sagte er und deutete mit der Reitgerte auf einen rotberockten, bärtigen Veteranen, der sich auf der anderen Seite der Menge befand. «Ich hab ihm was von meinem alten Herrn zu bestellen. Du wartest am besten hier, Maria, denn wir reiten von hier aus los. Das erste Ziel ist Chuffey Wood.»
Mary hatte keine Ahnung, woher er diese geheimnisvollen Dinge wußte, aber er hatte immer recht. Für sie war die Parforcejagd ein Buch mit sieben Siegeln, aber Denys wußte genau, in welche Richtung der Fuchs schnüren und in welchem Bau er zu entkommen versuchen würde. Sie lenkte Joy auf eine kleine Böschung im Hintergrund, wo keine Gefahr i bestand, daß sie auf einen Hund traten oder einem der lauten schnauzbärtigen Männer in rotem Rock in die Quere kamen. Und erst recht nicht den furchterregenden Reiterinnen, die sich im Damensattel, den Zylinder auf dem Kopf, auf ihren großrahmigen Pferden durch die Menge schoben. Am schlimmsten war die Frau des Jagdherrn, Mrs. ffrench-Burrowes, die — einen gelben Pelzmantel über ihrem Reitkleid — zu Fuß herumstolzierte und jedermann — Adel, Landvolk und Hunde — beim Vornamen nannte. Ihr verwittertes Gesicht unter dem kerzengerade aufgesetzten Zylinder glich einer Axt und ihr Profil lauter aneinandergereihten Rasierklingen. Ihr Pferd war ebenso schauerlich wie sie selbst, es war ein riesiger Rappe, dessen Schweif eine rote Schleife «zierte» und dessen Augen tückisch schielten. Er wurde gerade unter lautem Fluchen aus seiner Box gezerrt, und das Biest warf den Kopf so stürmisch vor und zurück, daß der kleine irische Reitknecht halb in der Luft schwebte. Es riß am Zaumzeug, zeigte das Weiße in den Augen und wich seitwärts aus, als der Reitknecht Mrs. ffrench-Burrowes beim
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