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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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und rauchte Pfeife. Sie beobachtete, wie das Kerzenlicht sein Gesicht erhellte und es dann wieder in Schatten tauchte, während er sich nach vorn beugte, um seiner Mutter etwas Nettes zu sagen. Ob ihm ihr weißes Kleid wohl gefiele, dachte Mary. Wenn nicht, dann wäre es für dieses Familientreffen viel zu schade.
    Als sie vor dem Essen die Treppe heruntergekommen war, hatte er nach oben geblickt und sie angesehen, aber er hatte nichts gesagt, ihr nicht einmal zugelächelt, er hatte sie nur ganz genau betrachtet und sich dann wieder dem Tablett zugewendet und die Cocktailgläser gefüllt.
    Seit ihrem siebenten oder achten Lebensjahr durfte Mary am Weihnachtsabend mitessen, und es bot sich ihr immer das gleiche Bild. Nur selten einmal fehlte ein Mitglied der Familie. In diesem Jahr war es Tante Winifred. Sie machte mit ihrer Freundin Kathleen Perron, der Tochter des Vikars von Yarde, eine Fußwanderung in Schottland. Das war vielleicht auch besser so. Sie hatte nichts übrig für Gesellschaften, und im vergangenen Jahr, als man gerade beim Weihnachtspudding war, hatte sie plötzlich angefangen zu weinen. Das war allen sehr peinlich gewesen, aber jeder tat so, als ob er es nicht bemerkte.
    Mary liebte das Weihnachtsfest, weil es Jahr für Jahr auf die gleiche Weise gefeiert wurde. Im Eßzimmer duftete es ganz stark nach dem Harz des Weihnachtsbaumes, der aus Großpapas eigenen Tannenwäldern kam, und sie alle genossen die Wärme des freundlichen, alten Hauses, das sie immer wieder bereitwillig aufnahm.
    Großpapa stand auf und schob seinen Stuhl mit einem scharrenden Geräusch zurück, wodurch er die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich lenkte. «Ich möchte einen Toast ausbringen», sagte er. Alle erhoben sich, ergriffen ihre Gläser, und Michael, der sein Stichwort kannte, flitzte t los, um die Eßzimmertür zu öffnen.
    «Auf das Wohl meiner Frau», sagte Großpapa und machte eine komische, steife kleine Verbeugung, und dann stießen alle mit ihren Gläsern auf sie an und ließen sie hochleben. Es entstand eine kleine Pause, alle lauschten, und dann ertönte aus der Ferne das zarte Läuten von Großmamas Handglocke zum Zeichen, daß sie sie gehört hatte, ihnen dankte und einen Schluck Mineralwasser auf ihrer aller Wohl trinken würde.

    Obwohl Großpapa das Reiten aufgegeben hatte, hielt er sich noch zwei Pferde im Stall, und auf dem Rücken einer munteren, kleinen rotbraunen Stute genoß Mary das Erlebnis eines herrlichen Jagdtages. Denys hatte sie dazu überredet.
    «Aber Mary», wurde sie von der bekümmert dreinschauenden Margaret attackiert: «Wie kannst du nur? So was Grausames! Dabei kannst du doch gar nicht mitansehen, wenn ein Tier getötet wird. Ich erinnere mich; genau, wie dir schlecht wurde, als Michael einem Huhn den Hals umdrehte.»
    «Erinnere mich lieber nicht daran», sagte Mary, «natürlich hasse ich es, wenn ein Tier getötet wird, wer tut das nicht, du Schaf. Aber mir geht es ums Reiten, nicht um die Jagd. Heimlich bete ich immer, daß der Fuchs entwischt. Denys sagt, ich gehe auf die Jagd, um zu reiten, und ich reite nicht, um zu jagen.»
    «Aber das macht die Sache nur noch schlimmer», sagte Margaret vorwurfsvoll und packte Mary am Arm. Sie konnte nie mit jemand sprechen, ohne ihn dabei anzufassen. «Du unterstützt die Grausamkeit noch. Die vielen Hunde und Menschen, und alle sind sie hinter dem einen kleinen Fuchs her — .»
    «Ehrlich gesagt, Maggie, ich glaube, es macht für den Fuchs nicht den geringsten Unterschied, ob ich dabei bin oder nicht.»
    «Ach die armen, süßen kleinen Tierchen mit ihren schönen, buschigen Schwänzen», jammerte Margaret, und ihre Augen wurden bereits wieder feucht.
    «Du würdest sie nicht so süß finden, wenn du ihren Geruch kennen würdest», antwortete ihr Mary mit der Schroffheit, die Margaret so oft in ihr auslöste.
    In diesem Jahr fand das Jagdtreffen am zweiten Feiertag in Coombe St. George statt, das sechs oder sieben Meilen entfernt lag. Mary und Denys vertilgten ungeheure Mengen Porridge und Würstchen zum Frühstück und brachen auf, bevor die übrigen Familienmitglieder zum Vorschein kamen. Mary hätte sich gern ihrer Großmutter in ihrem neuen steifen Hut gezeigt, unter dem ihr langes Haar, fein säuberlich zusammengebunden, den Rücken herabfiel, aber Taggie hatte sie an der Tür abgefangen. «Du kannst jetzt nicht hinein», sagte sie, «sie schläft gerade. Sie hat eine schlechte Nacht gehabt, die Arme.» So mußte Mary sich mit Mrs.

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