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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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nichts aus», stellte sie fest und wandte sich wieder dem Spiegel zu. «Du hast nur schlechte Laune, du bist doch sonst sehr gern allein. Mabel hat dir ein gutes Abendessen zurechtgestellt, und wenn ich mich nicht irre, hast du mir erzählt, daß du mit dieser Schlampe Toots, Boots oder wie sie heißt, ins Kino gehen willst.»
    «Sie heißt Poo und ist durchaus keine Schlampe. Selbst wenn sie eine wäre — lebe du mal mit vier Geschwistern, einer schwindsüchtigen Mutter und einem Vater zusammen, der sich bei irgendeiner Drecksarbeit halbtot schuften muß, damit sie sonntags ein Stück Fleisch auf dem Tisch haben, dann würdest du auch nicht anders aussehen. Lebe du mal in so einem schrecklichen Loch über einer Textilfabrik, wo man jedes Mal, wenn man raus oder rein will, über Berge von Hosenträgern oder Kleidersäcken stolpert, dann —»
    «Hör schon auf, deshalb brauchst du nicht gleich auf die Barrikaden zu gehen. Bestelle mir lieber ein Taxi, ja?»
    Mary brachte ihre Mutter, die, in eine zarte Parfümwolke gehüllt, ihr Samtcape umnahm, an die Tür. «Ich frage jetzt zum letzten Mal», sagte sie, während sie die Tür öffnete, «kann ich auf die Schauspielschule gehen?»
    «Und ich antworte zum letzten Male: nein!» sagte Mrs. Shannon, schritt die Stufen hinunter und ging zu ihrem Taxi.

    «Liebes Kleinchen» (schrieb Onkel Geoff aus Hollywood, auf hauchdünnem Papier mit grüner Tinte) — «tausend Dank für Deinen Brief. Nein, bis jetzt bin ich weder verheiratet noch geschieden, obwohl ich hier eine sehr reizende kleine Person aus Springfield, Illinois, getroffen habe, die mein jungfräuliches Herz in einige Unruhe versetzt hat. Aber vielleicht ist das auch nur der Frühling. Ich freue mich, daß Dir der Film gefallen hat. Dér nächste müßte sehr bald herauskommen, es sei denn, sie überlegen sich’s und drehen ihn noch einmal. Das haben sie schon so oft getan, daß es auf einmal mehr gar nicht ankommt.
    Du hast also die Absicht, in deines Onkels Fußstapfen zu treten. Ich wünsche Dir Glück und mehr Begabung, als ich jemals hatte, aber was willst Du auf einer Schauspielschule? In meiner Jugend gab es so etwas gar nicht, aber die Zeiten ändern sich natürlich, und es sei ferne von mir, Dir — etc. etc. Vielleicht ziehen wir eines Tages beide zusammen unsere eigene Show am Broadway auf. Anderthalb Jahre Film haben in mir die Sehnsucht nach den Brettern geweckt, aber — Hauptsache, die Kasse stimmt.
    Ewig und immer
    Dein Onkel Geoffe
    P. S. Es geht mich zwar nichts an, aber hast Du schon einmal daran gedacht, eine Tätigkeit zu finden, mit der Du Deiner Mutter in finanzieller Hinsicht etwas unter die Arme greifen könntest? Sie sagt zwar, es ginge ihr großartig, aber das sagt sie immer. Na ja, ich will nichts gesagt haben, ich bin der letzte, der ein Recht dazu hätte.»

    Marys Kursus auf der Schauspielschule begann erst im Herbst, und so verbrachte sie einen geruhsamen Sommer, in dem sie nichts weiter tat, als gehörig zuzunehmen.
    «Du bist erst spät gewachsen und deshalb bekommst du deinen Jugendspeck auch erst jetzt», sagte ihre Mutter, die gerade den Saum einer Bluse für Mary ausließ. «Was warst du doch für ein spindeldürres, kleines Ding, aber du wirst schon wieder abnehmen. Es wird dir gar nichts anderes übrigbleiben, wenn du deinen Namen in Leuchtbuchstaben sehen möchtest.»
    «Ich kann nur dringend hoffen, daß ich wieder abnehme», sagte Mary, verspeiste das letzte Stück ihrer Tafel Schokolade und stand auf, um sich eine Banane zu holen.
    Den Gipfel ihrer Hoffnungen und Träume bildete der Ball in Denys College, der anläßlich des Stiftungsfestes stattfand, und zu dem er sie eingeladen hatte.
    Sie war bis jetzt nur einmal in Oxford gewesen, mit Linney und Großpapa in dem Daimler. Sie hatten mit Denys in seinem Zimmer Tee getrunken und Korinthenbrötchen gegessen, und danach hatten sie alle Colleges besichtigt, wobei Großpapa auf Schritt und Tritt in Erinnerungen schwelgte. Er machte alle möglichen Umwege, um die versteckten Ecken wiederzufinden, wo er nachts, wenn er zu spät kam, ins Haus geklettert war, oder wo sein alter Freund Sickert — «der ist jetzt Richter am obersten Gerichtshof» — mit einem Polizeihelm auf dem Kopf auf einen Laternenpfahl geklettert war.
    «Dabei haben wir nie was anderes als Bier getrunken. Nicht dieses giftige Zeug, das ihr Jungens euch heutzutage anscheinend leisten könnt. Und Bier war damals wirklich noch Bier, nicht bloß so ein

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