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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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Verlobter war, dann hatte sie eigentlich noch weniger Grund, so eingebildet zu sein, fand Mary. George war sehr groß und sicher auch kräftig, aber seine Figur war plump und schwerfällig, und seine Hüften waren ebenso breit wie seine Schultern. Er hatte glattes, volles rotes Haar, ein viereckiges Gesicht, trug eine Hornbrille und sprach unaufhörlich und wichtigtuerisch mit einer überraschend hohen, näselnden Stimme. «Er ist Anhänger der », erklärte Denys Mary leise, als sie den Bahnhof verließen.
    Im College angekommen, trennten sie sich, und Denys nahm Mary mit zum Tee in seine Räume. «Sag mal, Denys», fragte sie, «lebst du eigentlich immer nur von Korinthenbrötchen?» Ein Bursche mit dem Spitznamen erschien, pflanzte sich in seinen zu engen Flanellhosen und seinem kanariengelben Pullover auf das Sofa, fraß fast alle Korinthenbrötchen auf und machte keine Anstalten zu gehen. Mary wünschte, er würde verschwinden. Sie legte keinen Wert auf seine rüden Witze, sie wollte mit Denys allein sein. Immer wieder mußte sie ihn ansehen. Wenn sie mit ihm zusammen in einem Zimmer war, war sie sich seiner Gegenwart so sehr bewußt, daß sie sich ganz unnatürlich benahm. fand sie herzlich langweilig, das merkte sie; er rappelte sich mühsam auf und schlurfte gähnend davon. Denys und Mary setzten sich nebeneinander aufs Sofa, und er gab ihr einen Kuß. Seine Küsse waren anders als früher, sie waren aufregender — aber eben so ganz anders. Das gehörte also auch zu den Dingen, die man in Oxford lernte.
    Irgendwo im Haus läutete eine Glocke. «Mary, mein Schatz», sagte Denys, «ich könnte den ganzen Abend so mit dir hier sitzen, aber wenn wir zu dem Fest wollen, dann müssen wir jetzt gehen und uns umziehen. Um halb acht essen wir bei Nick, und da dürfen wir nicht zu spät kommen.» Einen Augenblick lang wünschte Mary, der Ball würde nicht stattfinden und sie und Denys könnten den Abend allein miteinander verbringen. Sobald sie mit anderen zusammen war, zitterte sie immer, daß er Vergleiche anstellen könnte, die zu ihren Ungunsten ausfielen. Vielleicht merkte er dann, daß sie nicht so klug, so unterhaltend und so hübsch war, und daß sie schüchtern und befangen war, das merkte er dann natürlich auch.
    «Ich bring dich ins Hotel zurück», sagte er und zog sie hoch. Sie sah sich suchend nach einem Spiegel um. «Du kannst dich in meinem Schlaf. zimmer zurechtmachen, wenn du willst», sagte er, und sie ging ins andere Zimmer hinüber. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah sie sich neugierig um und betrachtete liebevoll die Sachen, die er trug, die Gegenstände, die er jeden Tag benutzte. Da standen Photographien von seinem Vater und seiner Mutter — Tante Mavis hatte sich in die Brust geworfen — und Ferienschnappschüsse von Julia und Sarah, Sarah im Badeanzug mit reichlich viel Busen. Er müßte doch auch ein Photo von mir haben, dachte Mary. Ich werde ihm eins schicken zusammen mit der Locke, die ich für ihn aufgehoben habe.
    Als sie vor dem Spiegel stand und sich kämmte, kam er herein und legte von hinten seine Arme um sie, vergrub sein Kinn an ihrer Schulter, rieb seine Wange an der ihren. Sie sah sein Gesicht im Spiegel. Er sah fabelhaft aus. Ach, wie herrlich war es, in jemand verliebt zu sein, auf den man stolz sein konnte. Wie beschämend wäre es, wenn man George Gurney als Verlobten präsentieren müßte, aber immerhin war er mit Greta verlobt, Denys dagegen — aber das war schon alles ganz richtig so. Für Männer war vieles einfach selbstverständlich, und sie machten darüber nicht so viel Worte wie Frauen.
    «Warum so tragisch», fragte Denys und lächelte über ihre ernste Miene.
    «Ach, nichts.» Sie drehte sich zu ihm herum, und er zog sie an sich und küßte sie. «Siehst du», sagte er, «jetzt mußt du dir noch mal die Nase pudern. Aber beeile dich, wir müssen jetzt wirklich gehen.»
    Es machte Spaß, mit ihm die belebte Highstreet entlangzuschlendern und sich auf dem Damm zwischen den Bussen und den Scharen von Radfahrern hindurchzuschlängeln.
    Blaßblau wölbte sich der Abendhimmel über den jahrhundertealten Häusern. Denys schien auch hier wieder alle Leute zu kennen. Dauernd grüßte er andere Studenten, von denen manche noch rechte Grünschnäbel waren, während andere wieder sehr aufregend aussahen. Viele von ihnen hatten ein Mädchen bei sich. Alle trugen graue Flanellhosen und Sportjacken, was beinahe

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