eine Art Uniform zu sein schien. Mary hängte sich bei Denys ein und empfand den gleichen Besitzerstolz wie Greta Daniel.
Greta war schon in ihrem gemeinsamen Zimmer, als Mary heraufkam, und wusch sich ihr Gesicht gerade kräftig mit Wasser und Seife. Sie trug einen grünen Kimono und Samtpantoffeln mit albernen Rosetten obendrauf. Das Zimmer hatte zwei einzelne Betten. Gretas Abendkleid — aus hellgrünem Taft — lag auf dem größeren, bequemeren von beiden, das nahe am Fenster stand. Mary sagte nichts, aber seufzte laut und vernehmlich, als sie ihr Köfferchen auf das schmalere Bett warf.
«Du mußt dich mächtig beeilen», sagte Greta, die puterrot hinter ihrem Handtuch zum Vorschein kam.
«Na, wenn schon», sagte Mary. «Ob man hier baden kann?» Damit begann sie, ihre Kleidung abzulegen. Greta wandte ihr den Rücken zu und unterzog sich, ohne den Kimono abzulegen, einer komplizierten Ankleideprozedur, aus der sie — oh, Wunder — in einem sehr adretten Unterkleid mit Lochstickerei erschien.
Als Mary aus dem Badezimmer zurückkam, saß Greta an dem schlecht beleuchteten Toilettentisch und bearbeitete mit Hilfe einer winzigen Probe-Cremetube und einer Dose Compact-Puder ihr Gesicht. Sorgfältig trug sie den blassen Lippenstift auf ihren kleinen Mund auf und rieb dann ebenso sorgfältig fast alles mit der Spitze ihres kleinen Fingers wieder ab. Bevor sie in ihr Kleid schlüpfte, legte sie sich ein Haarnetz über den Kopf.
«Was für ein hübsches Kleid», sagte Mary höflich, die, um Greta zu ärgern, nur notdürftig bekleidet durchs Zimmer schlenderte.
«Ja, nicht wahr», erwiderte Greta und lächelte ihrem Spiegelbild zu, «ich sage immer, grün kann nicht jeder tragen, aber wer es kann, der sollte es auch tun.» Sie zog ein Paar Silberschuhe an, die wie Kähne aussahen und flache Absätze hatten.
«Warum trägst du keine hohen Absätze?» fragte Mary und ging mit einem Handspiegel zum Fenster, um ihre Wimpern auf raffinierte Weise zu verschönern. «Beim Tanzen würdest du doch in der Größe dann viel besser zu deinem Verlobten passen. Ich trage immer hohe Absätze beim Tanzen, und du bist sogar noch kleiner als ich.»
«Nein», sagte Greta, «ich mag keine hohen Absätze.» Sie kämmte sich ihre kleingerippte, wollige Dauerwelle aus, schob die Puffärmel ihres biederen Taftkleides zurecht und sagte: «Also, ich geh schon vor. George wartet unten auf mich. Es wird bestimmt ein netter Abend.»
Nachdem sie fort war, zog Mary ihr Kleid an und versuchte, sich mit Denys’ Augen im Spiegel zu sehen. Sie hatte ihr Taschengeld gespart und sich ein weißes Kleid gekauft, weil sie ihm damals zu Weihnachten — es war schon über ein Jahr her — in Weiß so gut gefallen hatte. Das Kleid war bezaubernd, aber etwas eng in der Taille, und wenn sie tief atmete oder lachte, dann sprangen die Druckknöpfe an der Seite auf und ließen ein Stückchen nackte Haut sehen. Wenn ich nur ein wenig dünner wäre, dachte sie. Ich muß wirklich weniger essen. Aber Männer haben Kurven ja gern.
Sie steckte sich einen Straßclip ins Haar, den sie als Brautjungfer zu Onkel Tims Hochzeit im vergangenen Winter geschenkt bekommen hatte. Onkel Tim hatte ein Mädchen namens Annabella geheiratet, das aus Southsea stammte und nicht annähernd so reizvoll war wie ihr Name. Mary hörte später, daß sie schon jahrelang hinter der Marine her war und allgemein nur die
hieß. Nach etlichen Gins hatte Onkel Tim die Sehnsucht nach einer eigenen Häuslichkeit übermannt, und so fand er sich eines Tages unter einem Spalier gekreuzter Degen wieder, mit Annabella an seiner Seite, die wie ein siegreiches Schlachtroß aussah. Auf den Hochzeitsbildern blickte Onkel Tim und nicht die Braut wie das Opferlamm drein.
Als Mary in die Halle hinunterkam, trank Denys gerade den letzten Schluck eines Cocktails. «Kann ich auch einen haben?» fragte Mary, die die Zeit des Alleinseins mit ihm gern verlängern wollte. Er bestellte zwei Cocktails und dann noch einmal zwei, und als Mary sich schließlich durch die Drehtür auf die Straße schob, war sie sehr vergnügt. Sie hatte einen ganz kleinen Schwips und lächelte vor sich hin.
Als sie in den Räumen ankamen, wo das Essen stattfinden sollte, hatte die ganze Gesellschaft bereits an einer langen Tafel Platz genommen. Es waren neun Personen, die mit eingeschlossen, die er zu dieser Gelegenheit offensichtlich aus irgendeiner Versenkung hervorgeholt hatte.