Mariana
einer langen Zigarettenspitze zwischen den Zähnen, spielte Tag und Nacht Bridge. Sie hatte einen Orthopäden mit rötlichem Schnurrbart aufgegabelt, der Gerald Rigley hieß, und dessen Frau die meiste Zeit in der Kabine verbrachte, wo sie sich der Pflege ihrer angegriffenen Gesundheit widmete. Mrs. Shannon brachte ihn zum Lachen, und er folgte ihr wie ein treuergebener Airedale auf Schritt und Tritt, wobei er dauernd ihre Bonmots wiederholte.
Aber Charbury war das alles nicht.
Als sie zurückkamen, fuhr Mary zu den Shaws, die ein Haus auf der Insel Wight gemietet hatten, und dort entdeckte sie die Freuden des Segelsports. Mrs. Shaw ruhte — in ausgesucht schönen, weißen Gewändern — in einer Hängematte und nippte an einem Glas Orangensaft. Mr. Shaw, wie immer groß in Form, erschien zu den Wochenenden. Er trug eine kleine Seglermütze auf dem Hinterkopf und war noch geräuschvoller als sonst, besonders wenn er sich mit den Fischern und Bootsleuten unterhielt, die er wie uralte Freunde behandelte. Das Haus war ständig bevölkert von braungebrannten jungen Männern und von Mädchen, in deren Gegenwart Mary sich sehr unelegant vorkam. Selbst Angela gegenüber, die immer erwachsener und hübscher wurde, fühlte sie sich unsicher und verlegen.
«Du bist ja so still», dröhnte Mr. Shaws Stimme ihr bei Tisch entgegen. «Ich wette, du bist verliebt. Stimmt’s? Na, gib’s schon zu.» Sie wurde dunkelrot und widersprach ihm nicht. Jede Entschuldigung für ihre Unfähigkeit, bei den blitzschnellen Wortgefechten und der Lebhaftigkeit der anderen mitzuhalten, war ihr recht. Am glücklichsten war sie, wenn sie segeln gingen. Angela zerrte sie gewöhnlich hinter sich her, damit sie bei einem Zusammensein mit irgendeinem jungen Mann die Dritte im Bunde sei. «Mary, du mußt mitkommen, allein halt ich’s nicht aus mit ihm.» Nachdem Mary das Stadium, immer an der falschen Schot zu ziehen und den Großbaum an den Kopf geknallt zu bekommen, überwunden hatte, überließen Angela und der junge Mann ihr nur zu gern die Ruderpinne des kleinen Bootes und amüsierten sich auf dem winzigen Vorschiff. Mary, in einem gelben Badeanzug, der vom Meerwasser eingelaufen und ausgeblichen war, saß glücklich und zufrieden am Heck und paßte genau auf, daß das Boot richtig am Wind lag. Sie freute sich an dem sanften Rucken der Ruderpinne, das sie ans Reiten erinnerte, und an dem Wind, der ihr ins Gesicht blies, während sie dahinglitten und die Sonne auf den Wellenkämmen auf- und abtanzte. Wollte sie ein besonders schwieriges Wendemanöver vornehmen, so schrie sie aufgeregt: «Klar zum Wenden!» und führte sehr gewagte Manipulationen mit Segel und Ruderpinne durch, die die beiden anderen beinah über Bord gehen ließen. Es war wundervoll aufregend, aber sehr gefährlich, wie Onkel Tim meinte, als sie ihm später davon berichtete.
Aber Charbury war das alles nicht.
Angela reiste aufgeregt mit einer Unmenge neuer Kleider in die Schweiz ab, und Mary kehrte verdrossen nach St. Martin’s zurück, wo es ohne Angela noch trübseliger als vorher war, und wo sie außer Arbeit und der Lacrosse nichts zu erwarten hatte. Da sie die Lacrosse haßte, blieb ihr nur die Arbeit. Ihre Mutter und sie wohnten jetzt in einem winzigen, erst halb eingerichteten Haus in der Marguerite-Street nahe dem Sloane Square. Das einzige, was fertig gestrichen war, war die scharlachrote Haustür. Die hatte sogar drei Anstriche erhalten. «Das hat dem Maler so viel Freude gemacht», sagte Mrs. Shannon, «wahrscheinlich ist er ein arbeitsloser Künstler, der arme Kerl.»
«Ich glaube eher, weil rot die teuerste Farbe ist», sagte Mary. Mrs. Shannon war vollauf beschäftigt damit, Tee einzugießen oder dem Tischler, den Möbelträgern, dem Installateur und dem Mann, der sich dauernd nach etwa vorhandenen Ratten erkundigte, die Meinung zu sagen.
Im Frühjahr bestand Mary ihre Prüfung. Als sie St. Martin’s verließ, war sie fast achtzehn. Sie kam sich uralt vor und hatte nur den einen Wunsch, nie im Leben mehr einen Schlag zu tun.
«Also», sagte Mrs. Shannon eines Abends zum hundertsten Male, während sie ihr Gesicht energisch mit Cold Cream massierte, «was willst du nun anfangen? Hast du dir schon etwas überlegt?»Sie schob ihr Kinn hin und her und betrachtete sich prüfend im Spiegel ihrer Frisiertoilette.
«Ach, Mami, gib doch endlich Ruhe, ich bin eben erst mit der Schule fertig. Kann ich denn nicht wenigstens einmal verschnaufen? Ich hab diese elende
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