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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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ich ein Profil zu bieten. Es wird eine Katastrophe werden. Er wird sich auch gar nicht anstrengen, weil er weiß, Rocky wird die Mitglieder der Jury bestechen, damit sie ihm eine gute Note geben. Ich werde die Schlechteste sein, und du die Beste, das ist immerhi«ein Trost», fügte sie mit gedämpftem Enthusiasmus hinzu.
    «Ganz bestimmt nicht, du Schaf», sagte Angela bedrückt, «ich bin ganz schwach. Miß Gould sagt, ich sei der schlechteste Sydney, den sie sich je hätte antun müssen. Los, sonst kommen wir zu spät zum Fechten. Ich muß mir noch das Loch im Trikot zuziehen, bevor der Graf mich sieht.»
    Außer auf den Proben bei Miß Gould, die im Tweedkostüm und Wanderschuhen erschien, sollten die Schüler ihre Szenen auch noch in den Pausen unter sich probieren. Bob Darwin war jedoch nicht geneigt, seine Zeit an Mary zu verschwenden, und als der Prüfungstermin näher rückte und Rocky selbst die Proben übernahm, hatte noch keine großen Fortschritte gemacht.
    Mary zitterte vor den einmal in der Woche stattfindenden Proben bei Rocky. Stets bedachte er sie mit beißendem Spott. Sie begann an Verfolgungswahn zu leiden.
    «Ich nehme jetzt die Szene heran», pflegte er mit versteckter Drohung zu sagen. Mary und Bob gingen aus entgegengesetzten Richtungen auf die Bühne, Bob gelangweilt und Mary angsterfüllt. Sie trafen sich in den Kulissen, manchmal nahm er durch gönnerhaftes Nicken von ihr Notiz, manchmal knurrte er: «Gib mir heute gefälligst die richtigen Stichworte», oder «Hab dich nicht wieder so blöd an der Stelle, wo du dir die Haare aufstecken mußt. Der Alte hat eine Stinklaune.»
    «Vorhang auf», schnappte Rocky, was — da der Vorhang gar nicht unten war — bedeutete. Mit dem gleichen Mut der Verzweiflung, mit dem sie einst auf Denys’ Geheiß von der Parkmauer gesprungen war, stürzte Mary sich durch einen Spalt in den Dekorationsvorhängen auf die Bühne, wobei sie ihre Arme und Hände als total überflüssig empfand. Mit schriller Stimme — die sie zu hoch angesetzt hatte, was sie aber jetzt nicht mehr korrigieren konnte — rief sie aus:
    «Daddy, Daddy, ich habe gewonnen, hier ist der Ort. Komm, und sieh selbst.» Bob kam nie direkt auf sein Stichwort heraus. Er war daran gewöhnt, daß Rocky bereits an dieser Stelle gelangweilt unterbrach: «Wie oft, mein liebes Kind, soll ich Ihnen noch sagen, daß Sie weniger albern wirken würden, wenn Sie etwas natürlicher sprächen.»
    «Komm, und sieh selbst», wiederholte Mary entmutigt, und Bob trat auf. Er trug einen Klappstuhl und eine imaginäre Staffelei, die sie beide sorgfältig aufzustellen vorgaben. Mary fand es sehr schwierig, den Regieanweisungen zu folgen und einer Staffelei im Weg zu stehen, die gar nicht vorhanden war. Am Aufführungstag würden sie vermutlich eine richtige haben dürfen.
    Als Mary einmal sagte, daß Bob miserabel spiele, hatte sie nicht allzusehr übertrieben. Als jugendlicher Liebhaber war er dank seiner Erscheinung und angenehmen Stimme einigermaßen passabel, aber für die Rolle eines heruntergekommenen Künstlers, dem in der Johannisnacht in einem Märchenwald plötzlich zum Bewußtsein kommt, was er hätte sein können, reichte es kaum. Mit vereinten Kräften gelang es Mary und ihm, die Szene ihres ursprünglichen Zaubers völlig zu berauben. Bobs Schwächen lagen mehr im Zuwenig als im Zuviel, und seine Unzulänglichkeit für die Rolle fiel nicht so stark ins Auge wie bei Mary. Er hatte lediglich mit der Pfeife im Mund auf einem Stuhl zu sitzen und so zu tun, als ob er male. Mary hingegen, die die restliche Bühne ganz für sich hatte, mußte ununterbrochen umherhüpfen. Rockys Kritik richtete sich fast ausschließlich gegen sie. Die übrigen Schüler sahen zu, strickten, feilten sich die Nägel und machten ihre hämischen Glossen, während Mary lähmende Befangenheit überfiel. An der Stelle, wo das Mädchen Margaret ihr Haar hochsteckt, wobei ihr ein Waldsee als Spiegel dient, stellte Mary unweigerlich jedesmal fest, daß sie vergessen hatte, sich die Kämme in die Tasche zu stecken. Aber selbst wenn sie einmal daran gedacht hatte, so war ihr Haar doch zu kurz, um es richtig aufstecken zu können. Hätte sie doch nur noch ihre langen Haare. Zum erstenmal bereute sie das Werk von Mr. Pi-ä-re. Hätte sie jetzt noch die Haare, wie es die Rolle erforderte, so würde das ihr ganzes Spiel verändern, bildete sie sich ein.
    «Nein, nein, nein», stöhnte Rocky und verbarg

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