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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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froh, daß sie in der letzten Reihe stand und nicht sehen konnte, wie ihre Mutter und Onkel Geoffrey ihre Blamage aufnahmen. Sie fürchtete sich, ihnen am Abend unter die Augen zu treten. Was würde geschehen? Auslachen würden sie sie nicht und auch nicht böse sein. Sie würden sie bemitleiden, und gerade das war am schwersten zu ertragen.
    Nachdem Ralph O’Connor die Liste zu Ende vorgelesen hatte, setzte er sich, ohne den Gewinner des heiß ersehnten Preises bekanntzugeben. Bob und Angela hatten die höchste Punktzahl, und alle rätselten herum, wer von beiden ausgewählt würde. Angela war totenblaß und sie hielt krampfhaft Marys Arm umklammert, aber die merkte das kaum. Die drei Kritiker und Rocky berieten. Mary sah, daß ihre Mutter und Onkel Geoffrey aufstanden und sich anschickten, zu gehen. Angelas Eltern blieben, um das Ergebnis zu hören, obwohl Mrs. Shaw deutliche Anzeichen von Ermüdung zeigte.
    Mrs. Shannon entdeckte Mary, winkte ihr zu, und ihr Mund formte ein stummes . Ihr Bruder und sie verließen den Saal, nicht ohne daß es an der Tür einen kleinen Aufenthalt gab, weil sie offenbar behauptete, ihre Handschuhe liegengelassen zu haben. Onkel Geoffrey löste das Problem sehr schnell, indem er sich weigerte zurückzugehen. Er schob sie aus der Tür, wobei er Miß Yule zum Abschied mit einem Lächeln bedachte, das sie beinah hintenüber kippen ließ.
    In diesem Augenblick stand Ralph O’Connor, schon etwas mißmutig, wieder auf. «Meine Damen und Herren», verkündete er, «die Jury hat beschlossen, daß Miß Shaw und Mr. Darwin ihre Szenen wiederholen, weil sie erst dann entscheiden kann, wer den ersten Preis erhält.» Unter den mehr als fünfzig Schülern auf der Bühne erhob sich Raunen und Flüstern. Rocky, der es an der Zeit fand, auch einmal seine Stimme ertönen zu lassen, erhob sich. «Bitte die Bühne frei, und absolute Ruhe», sagte er und sonnte sich im Glanz seiner Autorität.
    Bebend vor Angst schloß sich Mary den anderen an. Welche Szene würde Bob wiederholen? Die aus oder die aus ? Sie konnte doch diese Qual nicht noch einmal erleiden — so etwas gab’s doch einfach nicht. Angela stürzte aufgeregt in die Garderobe, um ihr Make-up zu erneuern, und die anderen schoben sich den Korridor entlang, um sich im Saal unter die Zuschauer zu mischen. Mary stand unentschlossen herum, bis Miß Gould wie eine Furie auf sie losfuhr.
    «Los, los, beeilen Sie sich, Shannon», schrie, «Sie sind doch in der Szene mit Darwin dabei, oder nicht?»
    «Ja, aber wiederholt er denn nicht den ?» fragte Mary beschwörend.
    «Nein, Mr. Rockingham hat bestimmt, daß er spielt.» Sie schob Mary zur Garderobe hin. «Los, schnell schminken. Die andere Szene kommt zuerst dran.» Mary ging, wütend mit dem Fuß aufstampfend, die Treppe hinunter. Also doch! Sie wußte, weshalb man ihre Szene ausgesucht hatte. Aus Fairness Angela gegenüber, weil Jordan Holmes so schlecht war. Auf diese Weise hatten Angela und Bob das gleiche Handicap, mit einer Niete spielen zu müssen. Mary und Jordan Holmes — wie nannte Onkel Geoffrey das? Wurzen!
    Angela vervollständigte gerade ihr Make-up, bürstete ihre schmalen geschwungenen Augenbrauen und brachte ihren glänzenden Lockenkopf in die entsprechende Unordnung. Ihre Augen funkelten vor Erregung. «Ach, Mary, ich habe solche Angst. Halt mir bloß die Daumen. Sorge dafür, daß Bob nicht zu gut ist. Kannst du ihn nicht irgendwie aus dem Konzept bringen? O Gott, da klingelt’s schon zur Hinrichtung.»
    «Hals- und Beinbruch», rief Mary ihr nach, als Angela davonfegte. «Du gewinnst bestimmt!» Sie blieb allein in dem Durcheinander von hingeworfenen Kleidungsstücken, verstreutem Puder und kleinen, schmutzigen Wattebäuschchen zurück. Voller Gleichgültigkeit legte sie verdrossen ihr Make-up auf und unterstrich noch die Konturen ihrer jämmerlich herabbaumelnden Unterlippe. «Daddy, komm zurück, ich will nicht nur deine Traumtochter sein», schleuderte sie ihrem Spiegelbild verächtlich entgegen und verzog ihr Gesicht zu einem häßlichen und etwas irren Grinsen. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke, der so verrückt war, daß sie ihn sofort wieder verwarf. Schließlich war sie ja noch nicht verrückt, wenn es auch vielleicht nicht mehr lange dauern würde.
    Sie zog und zerrte an ihrem Kleid in der vergeblichen Hoffnung, ein paar von den Knitterfalten glattzustreichen, band die Turnschuhe zu und schleppte

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