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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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für Mary. Was meinst du, Lil?»
    Wie nett doch die Menschen sind, dachte Mary, als sie nach oben ging, um sich umzuziehen. Und wie häßlich war sie zu ihnen gewesen, nur weil sie mit nichts anderem als mit ihren mehr oder weniger eingebildeten Kümmernissen beschäftigt war.
    Sie stellte das Grammophon an und sang vor sich hin, während sie im Zimmer herumging. Sie war ja so glücklich. Wenn sie nun noch Denys hätte, dann wäre die Welt vollkommen. Denys — oder einen anderen. Den großen Unbekannten, von dem sie abends in ihrem Bett träumte. Aber wenn sie Denys nicht haben konnte, wen dann? Wo war denn jener andere, den es angeblich für jeden gab? Sie war neunzehn und nicht verliebt, da stimmte doch etwas nicht.

7

    Dank der Tatsache, daß sie in der Schauspielschule den ersten Preis gewonnen hatte, wurde Angela an ein Sommertheater verpflichtet, wo man griechische Tragödien und für Leute spielte, die viel lieber woanders hingegangen wären, die aber trotzdem erschienen, um zu beweisen, daß sie kulturell genauso hochstehend waren wie ihre Nachbarn.
    Mary fuhr einmal hin, um Angela auf der Bühne zu sehen, und verliebte sich in ein Mitglied des Ensembles, einen jungen Mann mit einer blonden Mähne und blonden Wimpern. Martin O’Dwyer schwebte stets in höheren Regionen, und er war herrlich romantisch. Er führte Mary im Mondenschein zu den Klippen, und von dort schleuderte er leidenschaftlich deklamierte Verse gegen die Brandung.
    «Dich neben mir zu haben, ein Leben lang», teilte er ihr mit, «mehr begehrt’ ich nicht.»
    Als er nach London zurückkehrte, ging er oft mit ihr aus, und sogar in billigen Kinos oder in zugigen, von Lärm widerhallenden U-Bahnpassagen brachte er noch ein gewisses Maß an Romantik auf. Am Abend, bevor er nach Irland fahren wollte, um seine wiederzusehen, stellte er fest, daß er vergessen hatte, einen Scheck einzulösen und daß ihm am nächsten Morgen nicht mehr genug Zeit bliebe, zur Bank zu gehen. Mrs. Shannon lieh ihm bereitwillig fünf Pfund, und, weltfremd wie er war, entschwand er wie ein schöner Traum auf Nimmerwiedersehen.
    Mary grämte sich eine Weile, teils weil sie sich in ihrem Stolz verletzt fühlte, teils weil es sich als vorteilhaft für ihre Figur erwies. Nachdem sie die Schauspielschule verlassen hatte, hatte sie nämlich beschlossen, abzunehmen und nicht darauf zu warten, daß sie eines Tages von selbst dünner werden würde, wie ihre Mutter das prophezeit hatte. Durch strenge Diät und strapaziöse, nicht gerade sehr anmutige gymnastische Übungen erzielte sie sehr befriedigende Resultate. Jedenfalls riefen Tante Mavis oder Tante Grace ihre Mutter fast jeden zweiten Tag an, um ihr zu sagen, daß das Kind ihre Gesundheit und ihr Aussehen ruiniere, und berichteten von fürchterlichen Krankheiten, die sich Frauen durch Entfettungskuren zugezogen hatten. Sogar Gerald sagte, daß sie ein dummes kleines Ding sei, aber das war ihr egal.
    Sie konnte ihn nicht ausstehen, wenn er seine väterlichen Anwandlungen bekam. Zu gern hätte sie gewußt, ob er wohl an Scheidung dachte, um ihre Mutter zu heiraten. Wenn ja, konnte sie ihm nur raten, sich das gut zu überlegen. Er und ihre Mutter schienen sehr gute Freunde zu sein, aber er war viel zu schwerfällig für sie. Witze mußte man ihm meistens erst erklären, was ja zuerst ganz komisch, auf die Dauer aber ziemlich öde war. Ihre Mutter würde ihn niemals heiraten. Dazu kam, daß gerade in dieser Zeit ihr Geschäft ihr ganzes Interesse beanspruchte.
    Mrs. Wilkes Armitage hatte dem Ruf der Riviera, zu der es sie seit einiger Zeit hinzog, nicht länger widerstehen können. Sie gab Mrs. Shannon eine Option auf ihre Anteile und rauschte ab nach Antibes, wo sie sich eine Villa schnappte, die eine Schauspielerin gerade zum Verkauf anbot. Mrs. Shannon übernahm ihre Anteile auf Ratenbasis, sehr gegen den Rat von Onkel Lionel, dem Familien-Orakel in Geldangelegenheiten, der ein Gesicht machte wie eine Rechenmaschine und ihr prophezeite, daß sie bis zur Bezahlung ihrer Schulden einen Mühlstein am Halse habe.
    Aber die Geschäfte gingen gut und Mrs. Shannon war zuversichtlich. Sie taufte das Geschäft in um und stattete es in Weiß und Gold mit dunkelrotem Brokat aus.
    «Wenn du noch Lust hast», sagte sie zu Mary, «dann wäre ich sehr glücklich, wenn du bei mir arbeiten würdest. Wie sieht’s aus damit?»
    Mary überlegte. «Lust hätte ich schon», sagte

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