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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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die sonst von mir denken?» Sie wollte gern noch mit Angela sprechen.
    «Nein», sagte Miß Yule, faßte Mary mit schlaffer Hand am Arm und steuerte sie den Korridor entlang. «Sie dürfen mit niemandem mehr sprechen. Mr. Rockingham befürchtet, daß Ihr Einfluß —» Mary fing an zu kichern. Am Fuß der Treppe stießen sie auf Myrtle Drew, die sich flach gegen die Wand preßte und ihre Röcke an sich raffte, als wolle sie sich vor Ansteckung schützen, was Mary sehr komisch fand. Sie bedauerte nur, daß Angela das nicht miterlebte. Sie hing sich ihren Mantel über das verknitterte blaue Kleidchen, während Miß Yule zwischen ihren Sachen herumfuhrwerkte und ihr alles auflud. Dabei ließ sie ein Paar Schuhe fallen und seufzte.
    «Also», sagte sie und öffnete die Tür, «leben Sie wohl, Shannon. Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu —»
    «Schon gut», unterbrach Mary sie, «auf Wiedersehen, Miß Yule.» Bis unters Kinn beladen, stolperte sie auf die Straße hinaus und hielt nach einem Taxi Ausschau, das sie von ihrem Turmbau befreien würde. Die Trikots, Tanzschuhe, Tuniken und andere verhaßte Gegenstände sah sie bereits im Geiste in einem Freudenfeuer aufgehen, das sie gleich morgen im Hintergärtchen entzünden würde.
    Auf dem Heimweg mischte sich eine leichte Beklemmung in ihre gehobene Stimmung. Wie würde man es auf nehmen? Würde ihre Mutter böse sein, weil sie dreißig Pfund vergeudet hatte? Und was würde Onkel Geoffrey sagen? Wie sollte sie die Geschichte am besten erzählen? Sie wünschte, sie hätte kein Taxi genommen, dann hätte sie mehr Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Leise schloß sie die Haustür auf und ließ ihre Sachen auf den Fußboden in der Diele fallen. Sie nahm den Hut ab und kämmte sich vor dem Garderobenspiegel. Sie war immer noch geschminkt. Wenn es zu einem Krach kam, würde sie wenigstens hübsch dabei aussehen.
    «Mary?» rief ihre Mutter aus dem Wohnzimmer.
    «Hallo», rief Mary vergnügt zurück und schnitt ein Gesicht, als sie Onkel Geoffrey geziert säuseln hörte: «Daddy, Daddy, ich will nicht nur deine Traumtochter sein.»
    Sie hörte, wie ihre Mutter sagte: «Halte bitte den Mund, Geoffrey, das ist unfair von dir», und dann rief sie: «Komm rein, Liebling, Gerald ist hier.» Mary war heilfroh darüber. Zu einem Streit würde es jetzt nicht kommen, solche Blöße würde sich ihre Mutter in Gegenwart eines Verehrers niemals geben. Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer, blieb auf der Schwelle stehen und lächelte alle drei etwas töricht an. Gerald Rigley stand auf dem Kaminvorleger, ihre Mutter hockte auf der Sessellehne und Onkel Geoffrey mixte Cocktails, wobei eine Zigarette an seinen Vorderzähnen baumelte. «Hallo, Traumtochter», sagte er, aber Mary winkte ab. «Hör auf. Es stimmt schon, ich bin weder eine Traumtochter noch überhaupt fürs Theater geeignet. Mami, findest du es sehr schlimm? Ich bin rausgeflogen.»
    «Warum denn nur?» und «Gott sei Dank», sagten ihre Mutter und Onkel Geoffrey gleichzeitig, und Gerald lachte schallend, wie immer, wenn er nicht genau wußte, wie er sich verhalten sollte.
    Mary fing an, ihnen die ganze Geschichte zu erzählen, beobachtete dabei ängstlich die Gesichter und sah zu ihrem Entzücken, daß sie Erfolg bei ihnen hatte.
    «O je, O je», sagte Onkel Geoffrey und kippte seinen Cocktail auf einmal hinunter. «Seit Vaters Tod hab ich nicht mehr so gelacht. Erzähl das noch mal, Kleines. Willst du wirklich behaupten, du bist auf die Bühne gegangen und hast eine Klamotte abgezogen? Wäre ich doch bloß dageblieben. Ich wette, der Garstein gibt dir in seinem nächsten Stück eine komische Hauptrolle.»
    «Hoffentlich nicht», sagte Mrs. Shannon, «ich kann dir gar nicht sagen, mein Herz, wie glücklich ich darüber bin, daß du aus dieser Schule raus bist.»
    «Du bist mir wirklich nicht böse? Auch nicht wegen der dreißig Pfund?»
    «Ach was.» Mrs. Shannon schnippte mit den Fingern. «Ich hätte noch mal soviel bezahlt, um dich von deinem Theaterfimmel zu kurieren. Einer in der Familie reicht, weiß Gott, und du paßt wirklich nicht dahin.»
    «Ich war miserabel, nicht wahr?»
    «Nein, mein Liebes, du warst eigentlich ganz vielversprechend», meinte Mrs. Shannon nicht gerade überzeugend. «Unsere Traumtochter», murmelte Onkel Geoffrey tiefsinnig.
    «Laß nur, Mary», sagte Gerald mit seinem schiefen Lächeln. «Ich wette, du warst gut. Ich schlage vor, wir gehen zum Abendessen irgendwohin und überlegen uns einen Beruf

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