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Mariana

Mariana

Titel: Mariana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Dickens
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sie zweifelnd, «aber als was? Ich hab von nichts eine Ahnung, ich wär gar keine Hilfe für dich.»
    «Ich hab schon eine Idee. Ich dachte, du könntest nach Paris gehen und einen Kursus für Modezeichnen nehmen. Ich wollte ja immer gern, daß du was mit deinem Zeichentalent anfängst. Es gibt da eine phantastische Schule, und wenn dir das liegt, könntest du mir enorm helfen. Ich brauche jemanden mit Ideen. Ach, das verdammte Telefon — das klingelt auch ewig. Was hältst du davon, mein Hase? Überleg dir’s, während ich — Hallo?» Sie nahm den Hörer ab. «Hallo, Mavis», sie zog ein gottergebenes Gesicht. «Ja, meine Liebe, ganz gut. Und dir? Ach, das tut mir aber leid. Warum denn? Nein, mein Herz, was hat sie denn angestellt? Was? Ja, das kann ich mir denken. Was sagt denn Guy dazu?»
    Mary wartete ungeduldig. Irgendwas Interessantes war passiert. Sie hörte die Stimme am anderen Ende der Leitung wie eine Ente quaken, und die Augen ihrer Mutter funkelten in einer Weise, wie das sonst bei Telefongesprächen mit Tante Mavis durchaus nicht der Fall war.
    «Zigarette», hauchte ihre Mutter, glitt von der Sessellehne in den Stuhl und richtete sich für eine lange Sitzung ein.
    «Also so was», sagte sie, als sie den Hörer schließlich auflegte, «was sagst du bloß dazu?»
    «Was ist denn eigentlich los, ich habe ja keine Ahnung.»
    «Nach unserer Unterhaltung eben ist das wirklich sehr komisch. Mavis wollte nämlich wissen, ob ich Sarah im Laden beschäftigen kann, um sie abzulenken.»
    «Um Himmels willen, wovon denn? Nun rück schon damit raus!»
    «Sarah will heiraten, einen mittellosen Schulmeister von der Goldküste. Er bekommt nur alle fünf Jahre Urlaub, und jetzt ist es wieder soweit. Sarah hat ihn in Marylebone im Lesesaal der Stadtbibliothek kennengelernt und ist mit völlig entrücktem Blick nach Hause gekommen. Die arme Mavis — sie stellt sie bei Hofe vor, schleppt sie auf alle Debütantinnen-Bälle und läßt sie Schlange stehen, damit sie einen reichen Herzog erwischt, und jetzt will sie mit einem Mann, der so ähnlich wie Roebuck heißt, nach Uganda gehen, um dort zwanzig Kinder zu kriegen, vielleicht auch ein paar schwarze dabei —»
    Mary kicherte. «Das ist wirklich sehr komisch. Die arme Tante Mavis. Die gehört zu den Frauen, die nie das bekommen, was sie gern haben wollen.»
    «Du kannst dir ja denken, in welcher Verfassung sie ist. Sie sagt, Guy tobt und wirft mit Gegenständen um sich», berichtete ihre Mutter weiter. «Ihre Bitte wegen Sarah habe ich abgelehnt, und natürlich war sie wütend darüber. Aber abgesehen davon, daß ich Sarah nicht brauche, wenn du zu mir kommst, sehe ich nicht ein, warum sie ihren Roebuck nicht heiraten soll, wenn er sie liebt. Noch dazu, wo er wahrscheinlich der einzige Freier bleiben wird. Also, mein Schatz», kehrte sie zu ihrem ursprünglichen Thema zurück, «was ist mit Paris? Hast du dich entschieden?»
    «Ja», sagte Mary, «ich würde sehr gern hingehen. Paris — sag mal, Mama, stimmt es, daß es da so ganz anders riecht als irgendwo anders?»

    Es stimmte, stellte sie fest. Es war mehr die Zusammensetzung der Luft als ein bestimmter Geruch — ebenso reizvoll wie der Charbury-Geruch, aber viel schwieriger zu definieren. Der Pariser Duft war aufregend, eine Mischung von Frühlingsblumen im Bois, Asphalt im Sonnenschein, Cognac, dem strengen Eisengeruch aus der Metro, dazu kam die durchsichtige Klarheit der Luft selbst. Nebel konnte man sich in Paris gar nicht vorstellen. Ja, wenn man im Frühling dort war, konnte man sich überhaupt nicht vorstellen, daß es noch andere Jahreszeiten gab.
    Mary wohnte in Passy bei einer Familie Robleau, in einem hohen, schmalen Haus mit hohen, schmalen grünen Jalousien vor den Fenstern. Es handelte sich um ein sehr praktisches Aupair-Abkommen, denn die älteste Tochter Robeau, die in London studieren wollte, wohnte bei Marys Mutter und Onkel Geoffrey in der Marguerite-Street. Mary hätte gern gewußt, wie die beiden mit Lucienne zurechtkamen. Sie war in London angekommen, bevor Mary abreiste — groß und üppig, mit einem kleinen rosa Mündchen und einem flachen , ausdruckslosen Gesicht. Vermutlich würde sie ebenso verträglich sein wie sie temperamentlos war, Onkel Geoffrey hatte sich inzwischen sicher schon halbtot gelangweilt.
    Mme. Robeau war Witwe. «Il y a ne me demandez pas combien d’années.» Bestimmt war sie nicht wohlhabend, aber sie tat, als sei sie bettelarm. Sie kaufte sich nie ein neues

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