Mariana
wußte, was sie sagen sollte, sah ein bißchen verlegen vor sich hin und schob ihr Glas Kaffee hin und her.
«Ich war in Cambridge», sagte er, «und ich bin sehr viel mit Engländern zusammen. Mein Vater leitet die Pariser Zweigstelle der englischen Bank. Hier», er gab ihr eine Visitenkarte, «das bin ich. Damit Sie sehen, daß ich nicht ein Wüstling bin, vor dem Sie zittern müssen.» Er hieß Pierre Matthieu. Als sie ihm ihren Namen sagte, meinte er: «Aber der paßt wunderbar. Mary — das ist der richtige Name für Sie. Sie sehen so jungfräulich aus.»
Mary wurde rot. Kein Engländer hätte so etwas nach einer Bekanntschaft von fünf Minuten gesagt. Sogar Didis merkwürdige Freunde gingen ziemlich vorsichtig mit ihr um, weil sie Engländerin war und viel zurückhaltender als Didi oder Riette oder eine von den anderen.
«Bitte trinken Sie etwas mit mir», sagte Pierre, «wir wollen auf unsere Begegnung anstoßen. Was darf ich bestellen?»
«Dubonnet Cassis», sagte Mary, weil das der einzige französische Drink war, den sie kannte.
«Prima», sagte Pierre, der solche Schuljungen-Ausdrücke liebte. «Das nehm ich auch. Garçon!»
Seine Selbstsicherheit beeindruckte Mary, und seine Bewunderung tat ihr wohl. Tante Mavis würde ihn einen genannt haben. Mary wünschte, jemand von ihren Bekannten könne sie jetzt sehen. Der Kellner kam mit einem Tablett voller Flaschen, das er auf einer Hand balancierte, angesaust und stellte zwei große Becher vor sie hin. «Dubonnet Cassis pour Madame?» Ein Weinglas voll Dubonnet, ein gutgezielter Schuß Cassis, klick , jetzt tat er Eis hinein und füllte das Glas mit Sodawasser auf.
Beim zweiten Drink war Mary schon nicht mehr so nervös. Pierres Lächeln verfehlte seine Wirkung nicht, und sie erzählte ihm eine Menge von sich selbst, ihrer Familie und den Robeaus.
«Jetzt muß ich gehen», sagte sie schließlich, «sonst komme ich zu spät zum Abendessen, und hinterher soll ich mir mit Jeanne den Rasputin-Film ansehen.»
Er runzelte die Stirn und schob die Unterlippe vor. Ob er doch vielleicht Maurice Chevalier kopierte und stundenlang sorgfältig vor dem Spiegel übte? Nein, es war glücklicherweise nur eine zufällige Ähnlichkeit.
«Nein», sagte er entschieden, «Sie essen mit mir. Rufen Sie zu Hause an, daß Sie nicht kommen.»
«Madame würde außer sich sein. Sie warnt mich ständig vor fremden Männern.»
«Dann sagen Sie, Sie haben einen Freund aus England getroffen, sagen Sie irgendwas», meinte Pierre ungeduldig, «kommen Sie, ich bringe Sie zum Telefon. Und dann gehen wir los und amüsieren uns, ja, Mary?»
Wie konnte sie da nein sagen? Sie hatte auch gar nicht die Absicht. Wie anders es hier doch zugeht als in England, dachte sie aufgeregt, als sie sich hinter ihm zwischen den Tischen hindurchschlängelte. Ein Engländer würde sie nicht einmal auf einem Hausball zum Tanzen auffordern, wenn er ihr nicht vorgestellt worden war, aber dieser Franzose kam daherspaziert, drang von einem Augenblick zum anderen in ihr Leben ein und bestimmte, daß sie mit ihm zu Abend aß, gerade in dem Augenblick, als sie sich ängstlich fragte, ob sie ihn jemals wiedersehen würde.
Er kam mit in die Telefonzelle und legte seine Hand auf die ihre, als sie die Münzen einwerfen wollte, dann ergriff er die Hand und küßte zärtlich jeden einzelnen Finger, während sie der lieben, guten Jeanne irgend etwas vorschwindelte. Und als sie ihre Hand wegzog und flüsterte: «Nein, bitte nicht», hauchte er ihr sanft ins Ohr. Sie mußte vor ihm auf der Hut sein, ermahnte sie sich, und ein angenehmes Prickeln lief ihr über den Rücken. Als sie zu Pierres Auto kamen, bestätigte sich Marys Verdacht, daß er reich sei. Es war ein großer, schwarzer Wagen, auf Hochglanz poliert, mit vielen Plaketten am Kühler, und innen roch es herrlich nach teuren Lederbezügen.
«Der ist wohl neu?» fragte sie, als sie auf die Champs-Élysées einbogen.
«Ja, ziemlich. Ich tausche meine Wagen jedes Jahr um. Das ist günstiger. Also, Sie kennen Paris noch nicht?» fragte er einen Augenblick später und legte seine Hand auf ihr Knie.
«O doch, recht gut sogar. Ich bin ja schon seit zwei Monaten hier.»
«Die Sehenswürdigkeiten haben Sie gesehen, klar. Aber die meine ich nicht. Was ist mit Paris bei Nacht? Montmartre — Montparnasse?»
«Ich bin mit Didi in verschiedenen Lokalen gewesen», sagte Mary ganz stolz und nannte ein paar davon.
«Ach», er schob
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